Schlechtes Klima bei den Grünen

■ Die Bundestagsfraktion erlebt heftige Reaktionen auf die Wahl von Ebermann, Schoppe und Rust zu Vorstandssprecher/innen / Schily will Entscheidung korrigieren und wird von Trampert ausgekontert

Aus Bonn Oliver Tolmein

Am Donnerstag morgen herrschte Katerstimmung im Bundeshaus: während der frischgewählte Fraktionssprecher Thomas Ebermann noch lange nicht nüchtern, aber glücklich, über einer Tasse Kaffee neue Strategien ausbrütete, wartete Otto Schily, noch ernüchtert über seine Wahlniederlage vom Vorabend, auf den Fortgang der Fraktionssitzung. Als diese verspätet begonnen, schien es zuerst so, als sei nichts geschehen - die Diskussion über Strukturreform plätscherte, wie am Mittwoch die ersten Runden der Personaldiskussion. Tatsächlich war aber fast alles anders. Daß Ebermann eine realistische Chance hätte, als Sprecher in den Fraktionsvorstand gewählt zu werden, hatten selbst Mitstreiterinnen des ökosozialistischen Kandidaten bezweifelt. Entsprechend heftig fielen dann auch die Reaktionen aus, als klar war, daß neben den beiden realpolitisch orientierten Frauen Wal traud Schoppe und Bärbel Rust Ebermann der Dritte im Sprecherinnenbunde sein würde. Ging die ursprünglich auf drei Stunden angesetzte, dann aber doch den ganzen Mittwoch dauernde Kandidatenvorstellung und Befragung noch sehr freundlich und ohne Höhepunkte über die Bühne, verschlechterte sich das Klima nach der Stichwahl zwischen Otto Schily und Thomas Ebermann schlagartig. Schon in den 20–Uhr–Nachrichten des WDR ging über den Äther, daß der unterlegene Kandidat das Ergebnis für „äußerst bedenklich“ hielt. Die Hörerinnen und Hörer des Deutschlandfunks bekamen morgens noch stärkere Worte zu hören: Die Wahl Ebermanns signalisiere einen „Eroberungskrieg des fundamentalistischen Flügels“, sie sei ein „Schaden für die ganze Partei und er, Schily, werde alles daran setzen, sie zu korrigieren. Eine Attacke, die Rainer Trampert vom Bundesvorstand hart konterte. Er wünsche, äußerte Trampert, daß „Schily sich möglichst schnell findet. Er sollte sich bis dahin lieber zurückhalten und sich langsam daran gewöhnen, daß es in den Grünen Demokratie gibt.“ Antje Vollmer, die auf der Fraktionssitzung Ebermann aufgefordert hatte, seine Kandidatur zurückzuziehen und einer linken Frau Platz zu machen, sah gestern „die Stimmung in der Fraktion erheblich belastet“. Die Linken wären dadurch, daß sie keine Alternative zu Ebermann angeboten hätten, „erpresserisch mit ihrer Minderheitenposition umgegangen“. Dem hatte die nordrheinwestfälische Ökosozialistin Verena Krieger schon auf der Fraktionssitzung entgegengehalten, daß die linke, etwa 14 Stimmen starke Minderheit in der Fraktion sich selbst vorbehalten wolle, wen sie als Kandidaten benenne. Ganz unzufrieden ist auch Christa Nickels mit dem Abstimmungsergebnis: Die neuen Fraktionsmitglieder hätten sich mit dieser Abstimmung hinter den „Flügelhengsten“ verschanzt, anstatt ein eigenes Machtinteresse anzumelden. Die wirklich Neuen sehen das Wahlergebnis deutlich gelassener. Hias Kreuzeder aus Bayern meinte, er sei zwar kein Ökosozialist, aber das Wahlergebnis sei „ganz normal“: die verschiedenen Strömungen der Fraktion seien im neuen Vorstand vertreten, und Schily finde sicher auch weiterhin Möglichkeiten, seine Positionen öffentlich zu vertreten. Außerdem habe er den Eindruck, daß viele Vorurteile gegenüber Thomas Ebermann existierten: „Ich will mir in diesem Jahr jetzt ein eigenes Urteil bilden“. Ähnlich beurteilten auch Ulrich Briefs aus NRW und Thomas Wüppesahl, Kripobeamter aus Schleswig–Holstein, das Wahlresultat: wichtig sei jetzt allerdings, daß „auf Grundlage der 80 Prozent gemeinsamer Positionen, die wir alle haben“ (Briefs), inhaltlich Politik gemacht werde. Gezeigt habe sich, so Briefs weiter, aber auch, daß die Fraktion in ihren Entscheidungen flexibel sei und das Schema: Realos/Fundis nicht sämtliche Entscheidungen vorentscheide.