Sieg oder Pyrrhus–Sieg?

■ Ebermanns überraschender Wahlerfolg

Die linken Grünen haben bei der Wahl des Fraktionsvorstandes viel riskiert - und gewonnen. Eine andere Kandidatin als Thomas Ebermann hätte es sicher leichter, ihr Erfolg hätte auch einen geringeren Symbolwert gehabt. Ebermanns Wahl steht dafür, daß der Fraktions–Minderheit eine eigenständige Vertretung von der Mehrheit zugestanden wird. Der überraschende Erfolg könnte sich mittelfristig aber auch als Pyrrhus– Sieg erweisen: die eindeutige Niederlage der Linken bei der Wahl der Parlamentarischen Geschäftsführung deutet diese Möglichkeit an. Da sich viele der neuen Fraktionsmitglieder nicht darauf eingelassen haben, ausschließlich zu ihrem strömungspolitischen Vorteil zu stimmen, wird es auch von Thomas Ebermanns „Amtsführung“ abhängen, wie groß der machtpolitische Spielraum der linken Grünen künftig sein wird: geriert er sich, wie der Mythos es will, als der radikale, rücksichtslos Kader– und Strömungspolitik betreibende Bürgerschreck, wird der Spielraum kleiner werden. Läßt er anderen Raum für Profilierungen und führt die anstehenden Auseinandersetzungen offen, zerbricht er das Klischee - und macht es damit seinen Gegnern schwerer, als sie es sich ohnehin schon selbst machen. Einen zuverlässigen Bündnispartner nämlich hat Ebermann im Augenblick: den zornigen elder statesman Otto Schily. Dessen Versuch, noch aus der Niederlage heraus linke Positionen auszugrenzen, wird auch bei vielen realpolitisch orientierten Grünen kaum Begeisterung auslösen. Und wenn Schily sich gegen einen Pluralismus im Fraktionsvorstand ausspricht, wenn er dort auf gar keinen Fall Abgeordnete sehen will, die das Gewaltmonopol des Staates in Frage stellen, dann richtet sich das nicht nur gegen die Person Ebermann. Will Otto Schily so Kurs auf die Mitte nehmen, kann ihn das leicht in die Isolation führen. Oliver Tolmein