Kontrollzettel an Molke–Säcken

■ Amtliche Aufkleber aus Bayern als „Freibrief“ / Die strahlende Fracht sollte nach Nigeria gehen Molkerei Meggle und Bayrische Staatsbeamte müssen mit Ermittlungsverfahren rechnen

Düsseldorf/Berlin (taz) - Der nordrheinwestfälische Umweltminister Klaus Matthiesen hat am Donnerstag im Düsseldorfer Landtag erneut die Einschaltung der Staatsanwaltschaften zur Aufklärung der „Molke–Affäre“ verlangt. Matthiesen präsentierte den verdutzten Abgeordneten einen im Kölner Molkezug gefundenen amtlichen Aufkleber mit der Aufschrift:“Probe entnommen für amtliche Futtermittelkontrolle, Bayrisches Landesamt für Ernährungswirtschaft/München“. Matthiesen sagte, dieser Aufkleber müsse auf Unbedarfte wie eine „Art Freibrief“ wirken, daß das Pulver verwertbar sei. Auf Nachfrage hätten die bayrischen Behör den inzwischen erklärt, die Säcke seien nicht von ihnen mit dem Aufkleber versehen worden. Auch wegen dieser Zettel, so der Minister, sei die Einleitung von staatsanwaltlichen Ermittlungen unumgänglich. Im übrigen wies Matthiesen darauf hin, daß die bayrische Staatsregierung der Firma Meggle zumindestens „mit ermöglicht“ habe, mit dem mit 3,8 Mio DM entschädigten Molkepulver „ein zweites Geschäft zu machen“. Matthiesen zitierte dazu aus einem Schreiben des bayrischen Landwirtschaftsministers an die Fa. Meggle, in dem es heißt: „Im Einvernehmen mit dem Bayrischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umwelt fragen stimmen wir der vorgesehenen Verwendung zunächst einer Teilmenge bis zu 3000 t zu. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Mischung mit anderen Futtermittelkomponenten zu einem Endprodukt führt, dessen Belastung unterhalb der EG–Normen liegt und daher für Mensch und Tier keine Gefährdung darstellt. Als haftbarer Besitzer der 3.000 Tonnen in Bremen und Köln angelandeter Strahlenmolke hat nach Ansicht der bayrischen Grünen weiterhin der Wasserburger Milchverarbeitungsbetrieb Meggle zu gelten. Nach der Partei vorliegenden Informationen habe die nicht liquide Lindener Briefkastenfirma „Lopex“ nicht einmal den weit unter den Entsorgungskosten liegenden Preis von insgesamt 160.500 DM gezahlt. Darüberhinaus habe Meggle auch noch die Frachtkosten für das Molkepulver übernommen. Nachdem bereits Entschädigungen gezahlt worden seien, der bayrische Umweltminister eine Beseitigung in der Rosenheimer Müllverbrennungsanlage durchsetzen wollte und die Stoibersche Staatskanzlei die Bundeswehr um eine Zwischenlagermöglichkleit ersucht hatte, ist die Molke nach Meinung der Grünen eindeutig als Abfall einzustufen. Wie aus Bremen bekannt wurde, hat die Firma Meggle dort bereits mit einem Strafverfahren wegen „umweltgefährdender Abfallbeseitigung zu rechnen. Entgegen bisherigen Meldungen sei die in Bremen angelandete Molke nicht für den Export nach Ägypten, sondern nach Nigeria vorgesehen gewesen. Das geht aus dem Frachtpapieren hervor. Inzwischen wurde nach Meldungen der Zeitung „Al Ahram“ in Kairo bereits ein ägyptischer Geschäftsmann wegen des Verdachts, mit strahlender Molke zu handel, festgenommen. Vor dem Hafen von Alexandria wurde der zyprische Frachter „Trans Marina“ mit 510 Tonnen Milchpulver aus der EG sicherheitshalber auf radioaktive Strahlung untersucht. g.b./k.k.