Libanon: Europäer besorgt über US–Aufmarsch

■ Treffen der „Arbeitsgruppe Terrorismus“ am Widerstand der Europäer gescheitert / Europäische Staaten fürchten um das Leben der Geiseln, falls USA Libanon–Ziel angreift / USA reduzieren Flotte im Mittelmeer / Flugzeugträger unterwegs in den Persischen Golf

Berlin/Washington (taz/ap) - Am Widerstand der wichtigsten westeuropäischen Staaten ist ein Vorschlag der USA gescheitert, am Wochenende in Rom ein Treffen der „Arbeitsgruppe Terrorismus“ der Mitgliedsländer des Weltwirtschaftsgipfels abzuhalten. Thema der Sitzung sollten die jüngsten Geiselnahmen im Liba non sein. Anders als im Falle des US–Angriffs auf Libyen bildeten diesmal Großbritannien, Frankreich, Italien und die Bundesrepublik eine Ablehnungsfront. Das Leben der Geiseln habe Vorrang, hieß es unisono in den Hauptstädten. Besorgnis hatte bei den genannten Ländern der amerikanische Flottenaufmarsch im Mittel meer ausgelöst. Ein US–Angriff werde das Leben der Geiseln gefährden und die amerikanischen Interessen in der Region gefährden. Außerdem gebe es keine Anzeichen dafür, daß die Probleme mit der Identifizierung der Kidnapper und möglicher Angriffsziele gelöst seien. In Bonner politischen Kreisen hieß es, es zeige sich leider wieder einmal, daß die Handlungsansätze der USA und der Europäer in solchen Fällen unterschiedlich seien. Selbst der israelische Verteidigungsminister Rabin und andere Experten bezweifeln den Sinn militärischer Aktionen zum jetzigen Zeitpunkt, da sie das Leben der Geiseln gefährdeten. Nachdem der militärische Aufmarsch der US–Flotte im Mittelmeer und im Persischen Golf Spekulationen über einen Angriff auf Ziele im Libanon, Syrien oder Iran ausgelöst hatte, beeilte sich die Reagan–Administration, ihre Militärpräsenz vor der libanesischen Küste wieder zu reduzieren. Eine zweite Einsatzgruppe mit 1.900 Marines an Bord, die zur Verstärkung losgeschickt worden war, soll, wie es jetzt in Washington heißt, die erste Truppe ablösen. Außerdem erwäge man, den Flugzeugträger „John F.Kennedy“, einen der zwei vor der libanesischen Küste kreuzenden Träger, zu Besuch in die israelische Hafenstadt Haifa zu schicken. Nach den massiven militärischen Drohgebärden will die Reagan–Administration nun den dadurch ausgelösten Spekulationen wieder entgegentreten. Nach dem „Irangate“–Fiasko, das Waffenlieferungen an einen Staat einschloß, der gemeinhin der „Unterstützung des Terrorismus“ verdächtigt wird, wollten die selbsternannten Weltpolizisten im Weißen Haus die militärische Stärke der Supermacht und ihren Hegemonialanspruch im Nahen Osten erneut bekräftigen. Die Entführung von vier Dozenten in West– Beirut, darunter drei US–Bürger, diente außerdem als willkommener Anlaß, vor der amerikanischen Öffentlichkeit zu demonstrieren, daß die von Reagan im Oktober 1985 proklamierte Leitlinie in Sachen „internationaler Terrorismus“ wieder gilt: „Ihr könnt weglaufen, aber euch nicht verstecken“, hatte er verkündet, nachdem die US–Luftwaffe ein ägyptisches Flugzeug mit den Entführern des Luxusliners „Achille Lauro“ an Bord kaperte. Angesichts der Entführungswelle in Beirut gerät dabei fast aus dem Blickfeld, daß auch die US– Flotte im Persischen Golf verstärkt wurde. Der Flugzeugträger „Kitty Hawk“ befindet sich bereits im Eingang dieses Gewässers. Im nördlichen Teil des Golfs wurde die Eingreiftruppe der USA für den Nahen Osten stationiert. Mit Truppenpräsenz sollen freundlich gesonnene arabische Regierungen beruhigt werden, heißt es dazu in Washington. Dort scheint man jedoch über den US–Aufmarsch nicht begeistert zu sein. Der kuwaitische Ministerpräsident wurde in der Presse mit den Worten zitiert, es bestünde die Gefahr, daß sich eine „dritte Macht“ in den Golfkrieg einmischen wollte. Auch ein Angriff auf den arabischen Libanon würde hier nach der „Irangate“– Affaire, bei der die USA viel an Glaubwürdigkeit eingebüßt haben, als ein neuer Affront gewertet. In der Jordan Times hieß es, um das Schicksal der Geiseln zu verbessern, sollten die USA der libanesischen Regierung lieber dabei helfen, ihre Autorität wieder herzustellen, statt zu militärischen Aktionen zu greifen. In Syrien hieß es in landesüblicher anti– imperialistischer Rhetorik im staatlichen Rundfunk, daß „Washington die Geiselaffaire als einen Vorwand für einen geplanten Angriff“ nutze und die USA das arabische Volk in die Knie zwingen wolle. Der iranische Ministerpräsident Musawi warnte, daß ein Angriff auf den Libanon „nicht unbeantwortet bleiben wird“. bs