Realo–Durchmarsch in die Ausschüsse

■ Grüne Bundestagsfraktion weiter im Konflikt / Personal– entscheidungen nach sechsstündigem Sitzungs–Marathon

Aus Bonn Matthias Geis

„Wenn das so weitergeht, wird das hier explodieren.“ So charakterisiert Eckhard Stratmann, linker Abgeordneter der Grünen, die Atmosphäre in der Grünen–Fraktion, nachdem am Donnerstag abend die erste Runde der Ausschußbesetzungen über die Bühne gegangen war. Was sich in einem sechsstündigen Marathon vollzog, war die Antwort der realpolitischen Mehrheit auf die Wahl von Thomas Ebermann in den Fraktionsvorstand am Tag zuvor. Alle ökosozialistischen Kandidatinnen fielen durch. Die zentralen Ausschüsse (Innenpolitik, Außenpolitik sowie Familie, Frauen und Gesundheit) gingen an die gemäßigteren oder realpolitischen Konkurrentinn/en. Zwar eröffnete die Quotierung den Frauen die Möglichkeit, sich gegen ihre männlichen Kollegen durchzusetzen; doch an diesem Nachmittag gab die strömungspolitische Fraktionierung den Ausschlag; die vielbeschworene Frauensolidarität fiel hinten runter. Während Antje Vollmer ihre Konkurrentinnen mit großer Mehrher überflügelte, wurden in den nächsten Runden Thomas Wüppesal und Gerald Häfner nominiert. Antje Vollmer wird sich künftig für die mit Almosen abgespeisten Opfer der Naziverbrechen einsetzen und so die Arbeit von Christian Ströbele fortsetzen. Wüppesahl, Kripobeamter und Mitinitiator des „Arbeitskreises kritischer Polizisten“, will für eine weitreichende Entmilitarisierung der Polizei eintreten. Gerald Häfner, der sich gegen die Ökosozialistin Regula Bott durchsetzen konnte, hofft, mit einer Initiative für den Volksentscheid die Grünen ein Stück weit aus der innenpolitischen Defensive herauszubringen. An die Ärztin Heike Wilms–Kegel ging einer der Familienausschußsitze für den Schwerpunkt Gesundheitspolitik, so daß für den Bereich Frauenpolitik nur ein Sitz übrigblieb. Hier spitzte sich der Konflikt zwischen der Realo–Frau Waltraud Schoppe und der Ökosozialistin Verena Krieger zu. Als es um die ersatzlose Streichung des Paragraphen 218 ging, gewann die Befragung von Verena Krieger inquisitorische Züge. „Das sind die klassischen Fragen, mit denen ich als Kindermörderin entlarvt werden soll“, meinte Krieger. Sie verlor gegen Waltraud Schoppe, obwohl sie gemeinsam mit Marie– Luise Beck–Oberdorf kandidierte, die in der Abtreibungsfrage eine weniger dezidierte Position vertritt. Waltraud Schoppe hat in den letzten Tagen in der Abtreibungsfrage erstmals moderater argumentiert. Für den Auswärtigen Ausschuß wurden Petra Kelly und Otto Schily nominiert, der sich gegen die Parole „Raus aus der NATO“ und für eine Strategie beidseitiger Blockauflösung aussprach. Die Ökosozialistin Angelika Beer scheiterte an dem gemäßigteren Außenpolitiker Helmut Lippelt. Die nach dem real–politischen Durchmarsch und den Querelen um Ebermanns Vorstandssitz dringend notwendige Debatte über die vergiftete Atmosphäre und die Perspektiven der Fraktionsarbeit wurden vertagt.