„Dieses Modell lehnen wir ab“

■ Etat– und kompetenzlose „Sozialarbeiterinnen“ als Frauenbeauftragte in den Berliner Bezirken / ALerinnen haben dazugelernt und versuchen, neue Stellenbesetzungen durch die CDU zu verhindern / Serie „Frauenbeauftragte und staatliche Gleichstellungsstellen - was haben sie uns gebracht?“ - Teil 2

Von Gunhild Schöller

„Wie werden wir bloß diese Frauenbeauftragte wieder los?“ Diese ungewöhnliche Frage stellen sich Frauen der Alternativen Liste (AL) des Berliner Bezirks Kreuzberg. Überall engagieren sich Frauen für die Einrichtung von Gleichstellungsstellen und Frauenbeauftragten, da scheren die Kreuzberger Feministinnen aus diesen Reihen schon wieder aus. „Wir haben hier eine absolut schlimme Situation“, sagen sie und meinen damit die Kreuzberger kommunale Frauenbeauftragte Anita Gnielinski (CDU). Entstanden ist diese Situation durch eine Verkettung unglücklicher politischer Umstände. Nachdem der CDU–Senat mit Carola von Braun (FDP) eine Frauenbeauftragte für Berlin geschaffen hatte, wollte die SPD frauenpolitisch nicht hinterherhinken. Allen voran übten sich die Kreuzberger Sozialdemokraten im Trendsetting: Sie stellten den Antrag auf eine kommunale Frauenbeauftragte. Frauenbeauftragte gegen Quotierung Dieser Antrag war schwammig formuliert und sah für die zukünftige Frauenbeauftragte kaum Kompetenzen vor. Die ALerinnen waren damals schon skeptisch. Aber ein kategorisches „Nein“ wagten sie nicht, sondern ließen sich von der rot–grünen Mehrheit im Kreuzberger Rathaus unter Handlungsdruck setzen. Engagierten sie sich nicht, so fürchteten sie, würde die SPD diesen Antrag mit der CDU durchsetzen. Deshalb versuchten sie noch das Bestmögliche aus der Situation zu machen und forderten dann gemeinsam mit der SPD für die Kreuzberger Frauenbeauftragte das Recht auf eine eigenständige Öffentlichkeitsarbeit, eine hochbezahlte Position (damit sie eine Position möglichst weit oben in der Verwaltungshierarchie erhält) und eine Ansiedlung direkt beim Bezirksbürgermeister (um ihr Ressort–übergreifendes Handeln zu ermöglichen). Was sie davon erreicht haben? Nichts. Die Frauenbeauftragte Anita Gnielinski, seit Mitte Mai im Amt, hat keinen eigenen Etat und keine Kompetenzen. Nur einmal trat sie bislang öffentlichkeitswirksam auf: Sie erklärte ihre Gegnerschaft zum Quotierungsbeschluß, den AL und SPD gemeinsam für die Stellen der Kreuzberger Verwaltung durchgesetzt hatten. Eine harte Quotierung, so diagnostizierte sie, käme einem Bruch der Berliner Verfassung gleich und forderte den ersten, zugunsten einer Frau abgelehnten männlichen Bewerber auf, gegen diese Entscheidung vor Gericht zu gehen. So weit wird es aber nicht kommen. Denn zu den Aufgaben der Kreuzberger Frauenbeauf tragten gehört es, den Quotierungsbeschluß zu „kontrollieren“. Sie wird es auf ihre Weise tun. Übertölpelt Wie aber kommen die Kreuzbergerinnen mit ihrer SPD/AL–Mehrheit im Rathaus zu einer Frauenbeauftragten mit CDU–Parteibuch? In der Urlaubszeit erkannte die CDU die Gunst der Stunde: Als je ein Vertreter von AL und SPD fernab von Berlin weilten, drückte die CDU mit einer Stimme Mehrheit ihre Favoritin durch. SPD und AL waren übertölpelt. Vorher schon hatte Bezirksbürgermeister Krüger (CDU) das Auswahlverfahren an sich gezogen, d.h. nur er allein hatte entschieden, welche Frau in die en gere Auswahl kam. (Dazu ist er nach dem Bezirksverwaltungsgesetz berechtigt.) Transparent machte er seine Entscheidung nicht - bis heute ist nicht bekannt, welche Frauen sich überhaupt beworben hatten. Schnell gelernt aus den schlechten Kreuzberger Erfahrungen haben AL–Politikerinnen des Bezirks Schöneberg. Gemeinsam mit der SPD versuchen sie derzeit mit allen verwaltungspolitischen Mitteln, eine schlecht bezahlte, kompetenzlose und konservative Frauenbeauftragte zu verhindern. Aber mehr als verzögern können sie nicht. Verwaltungsangestellte ungeeignet Für einen grundsätzlich „falschen politischen Ansatz“ hält Beate Leis, AL–Vertreterin in der Schöneberger Bezirksverordnetenversammlung, eine Frauenbeauftragte, die als Verwaltungsangestellte arbeitet. Die Frauenbeauftragte, so Beate Leis, sei damit praktisch unkündbar, immer weisungsgebunden und könne einfach im Apparat der Verwaltung „verschwinden“, ohne daß es eine politische Kontrolle gebe. Deshalb wird in frauenpolitisch engagierten AL–Kreisen derzeit überlegt, ob ein politisches Wahlamt (d.h. die Frauenbeauftragte wäre wähl– und abwählbar) besser gewesen wäre. Aber ein eigenständiges Ressort „Frauen“ gibt es (natürlich) auch auf bezirklicher Ebene nicht. Es müßte erst mit viel Engagement gegen die herrschenden Bestrebungen, die politischen Handlungsspielräume der Bezirke zu beschneiden, erkämpft werden. Ob sich dieser Kampf - für den andere politische Felder vernachlässigt werden müßten - lohnt? „Uns fehlen die politischen Mehrheiten, zu machen was wir wollen. Wir würden unsere Energie in die Schaffung eines politischen Amtes stecken, das nachher von der CDU besetzt wird“, sagt Uta Wellenreuther von der Kreuzberger AL–Frauengruppe. Ihre Kollegin Renate Schröder ist anderer Auffassung: Bei einer CDU–Frauenpolitikerin könnten ihre Entscheidungen als CDU–Politik angegriffen werden. Eine Verwaltungsangestellte dagegen handle nicht offen politisch, sondern eher sozialarbeiterisch. Ein Wahlamt bedeute eine Politisierung der Frauenfragen. Dazu Beate Leis: „Wenn gesamtgesellschaftlich keine Strategien gegen die Ausgrenzung von Frauen aus Beruf und Öffentlichkeit laufen, nützt diese abgehobene politische Ebene sowieso nichts.“ Daß von den konservativen Regierungen in Bonn und Berlin solche nicht zu erwarten sind, ist sowieso Konsens unter den Frauen. Diskussionsprozesse in der AL Noch keinen Konsens zum Thema Frauenbeauftragte aber gibt es in der Partei AL: Der frisch gekürten, kompetenz– und etatlosen Frauenbeauftragten des Bezirks Reinickendorf, Elke Holzinger (“Politische Sachen möchte ich nicht machen“), sagte die bezirkliche AL ihre „Unterstützung“ zu. „Wir wünschen der Frauenbeauftragten ein starkes Rückgrat gegen alle Versuche der Kompetenzbeschneidung“, hieß es im Glückwunschbrief. „Viele Männer hielten Frauenbeauftragte für den Inbegriff von AL–Frauenpolitik“, resümiert die AL–Abgeordnete Dagmar Birkelbach. „Für uns aktive Frauen ist mittlerweile klar, daß wir dieses Modell ablehnen - aber bis dieser Diskussionsprozeß in der AL durch ist - das dauert.“ Wie lange dauert das - wieviel Anschauungsunterricht braucht die AL noch? Wenn dann auch der letzte der zwölf Berliner Bezirke seine harmlos–kompetenzlose, sozialarbeiterische Frauenbeauftragte hat - dann ist es zu spät. Teil 3 am Donnerstag: Viel zu billig - Frauenbeauftragte in Nordrhein–Westfalen