Süssmuth hält der CSU stand - Keine Meldepflicht für AIDS

■ Bundesgesundheitsministerin möchte vermeiden, daß Infizierte gesellschaftlich isoliert werden / Champagner– oder Müsli–Kondome werden vom Bundesgesundheitsamt vorgeschlagen

Berlin (taz) - Erneut hat sich Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth gegen eine Meldepflicht bei AIDS–Infizierten ausgesprochen. In einem Gespräch mit dem Spiegel (vom 9.2.) hat sie sich dabei ausdrücklich auf die im Grundgesetz geschützten Rechte des einzelnen berufen und daran erinnert, daß „wir in der Geschichte unheilvolle Erfahrung“ gemacht hätten. „Nur wenn ich Ansatzpunkte der Art habe, daß ich diese Grundrechte außer Kraft setzen muß wegen weit größerer Gefahren, kann ich davon absehen.“ Gleichzeitig wendet sie sich gegen routinemäßige AIDS–Kontrolluntersuchungen bei der Musterung von Rekruten durch Bundeswehrärzte. Diese Absage an Zwangs–Tests geschehe „in Absprache mit dem Verteidigungsministerium“. Trotz ihrer Aufklärungskampagne, in der die Ministerin „klotzen und nicht kleckern“ will, möchte sie vermeiden, daß AIDS– Infizierte und Erkrankte gesellschaftlich ausgesondert werden: „Sonst sind wir bald dabei, daß wir die Welt zweiteilen in diejenigen, die noch am öffentlichen Leben teilnehmen, und jene, die es nicht dürfen.“ Andere Meinungen sind hierzu aus den Reihen der CSU zu vernehmen. Wie ebenfalls der Spiegel in der gleichen Ausgabe berichtet, erklärte CSU–MdB Erich Riedl, es müsse erreicht werden, „daß erkrankte und nichterkrankte Personen dort abgesondert werden können, wo die infizierten Personen häufig zusammenkommen, zum Beispiel in Fabriken, Schulen und Vereinen“. Für Rita Süssmuth kann dagegen „gar nicht früh genug begonnen werden, dafür Sorge zu tragen, daß AIDS–Infizierte nicht wie Aussätzige behandelt werden“. Der Präsident der Bundesärztekammer, Karsten Vilmar, hält es für überlegenswert zu prüfen, AIDS–Kranke strafrechtlich zu verfolgen, wenn sie sich „gleichsam der Körperverletzung oder sogar der Tötung schuldig machen“. Dies träfe zum Beispiel dann zu, wenn sie Sexualpartner nicht über die Gefährdung aufklärten, die von ihnen ausgehe. Wie das in der Strafverfolgung allerdings durchgesetzt werden solle, stehe noch in den Sternen. Wie Bundesgesundheitsministerin Süssmuth ist auch er der Überzeugung, daß namentliche Meldepflicht und Zwangsuntersuchungen „letztlich zu nichts“ führten. Mit beidem sei nur zu erreichen, daß Bedrohte sich den Tests entzögen und abtauchten. Nach einer Meldung der Bild– Zeitung hat die US–Ärztevereinigung „AMA“ davor gewarnt, von Kondomen eine absolute Sicherheit gegen AIDS zu erwarten. „Die rutschen runter, platzen, werden nicht richtig angebracht.“ Die einzige Garantie gegen AIDS sei sexuelle Abstinenz. Ganz anders dagegen hat sich im ZDF die Professorin Lage–Stehr vom Bundesgesundheitsamt zu Wort gemeldet. Ihr Vorschlag laut Bild: „Es ist möglich, daß wir das Kondom heranbringen an die Natur–Freaks - mit Jutefarben und Müsli–Geschmack, und an die Luxusgewohnten mit Kaviarfarben und Champagner–Geschmack.“ bg