Theaterzensur in Frage gestellt

■ Höchstrichterlicher Entscheid gegen Theaterzensur in Israel / Ein Stück des jungen israelischen Autors Jizchak Laor wurde zum Präzedenzfall für Oberstes Gericht in Jerusalem

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Kann die Aufführung eines Theaterstückes die öffentliche Ordnung gefährden? Das ist nach Auffassung des Obersten Gerichts in Jerusalem höchst unwahrscheinlich. In einem Urteil vom Wochenende legten drei Richter nahe, die Abschaffung der Theater–Zensur in Israel sollte ernstlich in Erwägung gezogen werden. Anlaß war der Streit um das Theaterstück des jungen Autors Jizchak Laor, „Efraim kehrt ins Mittelalter zurück“, das vor zwei Jahren verboten worden war. Die Hauptfigur des Stückes ist ein israelischer Militärgouverneur in der besetzten Westbank, der den Tod eines palästinensischen Demonstranten untersucht. Da es in dem Stück zu Vergleichen mit nationalsozialistischen Praktiken kommt, werden nach Ansicht der Zensoren die Gefühle der Israelis grob verletzt. Außerdem wurde das Stück als aufrührerisch und obrigkeitsbeleidigend angesehen. Autor Laor zog daraufhin vor das Oberste Gericht. Auch den Richtern mißfiel der Inhalt sichtlich. Doch Richter Barak schrieb in seinem Urteil, das Argument, das Stück verfälsche die Wirklichkeit, sei nicht stichhaltig, da die Zensur nicht über die Mittel verfüge, festzustellen, was der Realität entspreche und was nicht. Auch die Gefahr des „Aufruhrs“ sei gering und stehe in keinem Verhältnis zum Verstoß der Zensur gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung. Mit dieser grundsätzlichen Argumentation gehen die Richter über den aktuellen Fall hinaus. Sie sind der Auffassung, daß die Komission für Theater–Zensur das Prinzip für freie Meinungsäußerung nicht genügend berücksichtigt und die mit einer Aufführung verbundenen Gefahren überschätzt. Das umstrittene Stück wird noch in dieser Saison in den Spielplan des Haifaer Theaters aufgenommen.