Stadt Nürnberg gegen Bayerns 218–Gegner

■ Bezirksregierung ordnet eine neue Ausschreibung für zwei Chefarztstellen an der Nürnberger Frauenklinik an / Die Stellenanforderung „Bereitschaft zu Abtreibungen“ soll rechtswidrig sein / Stadt Nürnberg legt Widerspruch ein / Jetzt muß Verwaltungsgericht entscheiden

Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) - Nach über einem halben Jahr erreichte der Streit um die Besetzung der beiden Chefarztstellen in der Nürnberger Frauenklinik jetzt einen vorläufigen Höhepunkt: Die Regierung von Mittelfranken als zuständige Rechtsaufsicht hat die Stadt Nürnberg angewiesen, die Stellenausschreibung zu wiederholen. Der Zusatz in der Ausschreibung: „Es wird erwartet, daß die Ärztinnen und Ärzte bereit sind, Schwangerschaftsabbrüche im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen durchzuführen“, soll gestrichen werden. Die Stadt Nürnberg legte gegen diese Anordnung Widerspruch ein. Rechtsreferent Dr. Richard Sauber hält den Ausschreibungstext für „rechtlich richtig“ und die Beanstandung für „völlig unbegründet“. Jetzt muß das Verwaltungsgericht in Ansbach entscheiden, obwohl die Stellenausschreibung eigentlich längst beendet und die Auswahl unter den 19 Kandidaten abgeschlossen war. Morgen hätte der Stadtrat die beiden Chefärzte offiziell benannt. Bereits das Bekanntwerden des Ausschreibungstextes hatte einen Sturm der Entrüstung zunächst bei der örtlichen katholischen Kirche und der CSU ausgelöst. Die Stadt verlange von den Bewerbern die Tötung ungeborenen Lebens, eine „Abteibungsklinik“ solle geschaffen werden. Das bayerische Innenministerium sah schließlich die Gewissensfreiheit des Arztes in Gefahr. Angesichts der prekären Situation in Nürnberg, daß es lediglich eine Privatklinik gibt, die Abtreibungen nach der sozialen Indikation vornimmt, beschloß der Stadtrat, sich dem Kesseltreiben nicht zu beugen. Auch nicht, als Ende November die Bezirksregierung von Mittelfranken einen ersten Vorstoß unternahm und den Text beanstandet hatte. Mit den Stimmen von SPD, Grünen, DKP und Oberbürgermeister wies der Stadtrat die Beanstandung zurück. „Gerade an einer städtischen Klinik muß der Rechtsspielraum des Abtreibungsparagraphen genutzt werden“, argumentierten die Grünen. Die SPD pochte auf das kommunale Selbstbestimmungsrecht und der städtische Gesundheitsreferent, Dr. Egon Bauer, brachte das „autonome Selbstbestimmungsrecht der Frauen“ ins Spiel. Im Laufe des Verfahrens um die Stellenbesetzung blieb der CSU–Stadtratsfraktion, die angetreten war, den „moralischen Bankrott“ der Stadt abzuwenden, eine Peinlichkeit nicht erspart. Ausgerechnet der von ihr favorisierte Bewerber hatte sich ausdrücklich für Schwangerschaftsabbrüche ausgesprochen.