Unschuldsengel im Bonner Landgericht

■ Die Angeklagten von Brauchitsch, Graf Lambsdorff und Friderichs sprachen im Parteispendenprozeß ihre Schlußworte „Faire Verhandlung“ bescheinigt / Der Graf ist im übrigen mit Koalitionsverhandlungen befaßt

Aus Bonn Oliver Tolmein

Auf der Anklageschrift im Prozeß um 5,3 Mio. Mark an unversteuerten verdeckten Parteispenden standen zwar die Namen von Brauchitsch, Lambsdorff und Friderichs. Aber gestern morgen im Bonner Landgericht traten die drei als Herren des Verfahrens, nicht als Angeklagte auf. Ekkehard von Brauchitsch wirkt recht zuversichtlich, er wahrt die Form, beteuert seine Unschuld und versichert, ganz Ehrenmann von altem Adel, daß die Schaffung von Abhängigkeiten seinen sämtlichen Lebensgrundsätzen widerspreche, Bestechung komme also schon von daher nicht für ihn in Frage: „Da hätte ich ja ein Doppelleben führen müssen - und, das versichere ich Ihnen, habe ich nicht getan“ - großes Industriellenehrenwort. Die Herren Friderichs und Lambsdorff halten ihre „letzten Worte“ in diesem dreieinhalb Jahre dauernden Flick–Prozeß ganz im Gestus von Staatsleuten. Sie geben sich als Anwälte des Volkes, das ihnen in freien und geheimen Wahlen den Auftrag gegeben hatte, sie zu regieren. Friderichs beschränkt sich im wesentlichen darauf, seine Verdienste fürs Volk zu referieren. Kurz, knapp und emotionslos beschreibt er den Schaden, den nicht nur seine Karriere - die ihn von seinem Mi nisteramt in den Vorstand der Dresdner Bank, in den Aufsichtsrat der AEG und auf andere hochdotierte Posten geführt hatte - sondern auch die Volkswirtschaft durch diesen Prozeß davon getragen hat: er habe sich nicht gleichzeitig um den Erhalt von Arbeitsplätzen bei der schwer gebeutelten AEG und um seine Verteidigung kümmern können. Das werfe er (offener Blick zu den Richtern, ins Publikum umdrehen kann er sich ja schlecht) niemandem vor, zuallerletzt dem Gericht, das sich wenigstens fair verhalten habe, obwohl doch die Ermittlungen von „Widerwärtigkeiten“ (schon das Wort geht einem wie Friderichs kaum über die Lippen) überschat tet gewesen seien. Friderichs Freund Otto Graf Lambsdorff ist so schnell fertig, daß der Gerichtszeichner das Porträt unvollendet lassen muß. Seine Äußerung nach dem Schlußwort an diesem letzten Prozeßtag vor der Urteilsverkündigung machen deutlich, daß der FDP–Politiker seine Zeit für Wichtigeres braucht: Die Koalitionsverhandlungen, erklärt er den umstehenden Journalisten, stünden nicht schlecht, aber auch nicht voll zufriedenstellend. Ziel von Lambsdorffs Attacken ist die Staatsanwaltschaft. „Hat die Staatsanwaltschaft gar nichts begriffen von der verfassungsrechtlichen Verantwortung und damit vom Pensum eines Bundesministers, hat sie die Terminfülle aus meinen beschlagnahmten Kalendern nicht zur Kenntnis genommen, ist ihr meine Auffassung von Arbeit und Pflichterfüllung so verschlossen geblieben? Es muß wohl so sein, wenn ich an den exzessiven Strafantrag denke.“ Ein bewunderndes Raunen von den Zuschauerbänken dringt daraufhin bis zum Justizwachtmeister, der seiner Pflicht genügt und mahnend nach hinten blickt. Lambsdorff weiter: „Ich habe Anlaß, der Kammer für die faire Verhandlung zu danken“. Über das Urteil wird er sich, es kann ausfallen wie es will, nicht ärgern müssen. Denn „im übrigen“ - gemeint ist der Bestechungsvorwurf - plädiert sogar die viel gescholtene Staatsanwaltschaft für Freispruch. Und ein Urteil, daß ihn wegen strafbarer Umwegfinanzierung belangte, wird der Graf einfach wegstecken: „Wenn das strafbares Unrecht sein soll, dann müssen sich nahezu alle Verantwortlichen der Parteien, auch nahezu alle Mitglieder der gegenwärtigen Bundesregierung und auch aller früheren Kabinette diesen Vorwurf gefallen lassen“. Die Herren Kohl und Bangemann werden ihren Kollegen verstanden haben: Otto Graf Lambsdorff steht wieder zur Verfügung.