Die bayerischen Grünen sind „nur der Stachel im Fleisch“

■ 100 Tage parlamentarische Arbeit der bayerischen Grünen im Landtag / Trotz Behinderungen durch die CSU ziehen sie selber eine positive Bilanz / SPDler betonen: keine Berührungsängste

Aus München Luitgard Koch

Mit vielbeachteten 7,5 Prozent hatten es die bayerischen Grünen nach der Landtagswahl im vergangenen Herbst endlich geschafft: 15 Abgeordnete, sieben Männer und acht Frauen, versprachen frischen Wind in die schwarze Hochburg über der Isar zu bringen. Gestern zogen die Landtagsneulinge nach der Schonfrist von 100 Tagen Bilanz unter dem Motto: offensiv– feministisch–konsequent. 45 Anfragen, 39 Anträge sowie zwei Interpellationen haben die Grünen bisher gestellt. Nur zwei davon, bei den bayerischen Mehrheitsverhältnissen kein Wunder, kamen durch, so der Antrag, das Mittel gegen Bienenseuche, Vopex VA 9 von einem unabhängigen Institut überprüfen zu lassen. Natürlich haben es auch die bayerischen Grünen nicht versäumt, Biokost in der Kantine zu fordern und ihr Müsli auch bekommen. An grotesken bis skandalösen Behinderungen ihrer Arbeit hat es bisher nicht gefehlt. Die schwarze Mehrheitspartei sorgte für den Ausschluß der Grünen aus dem Sicherheitsausschuß und dem Ausschuß für Bundes– und Europaangelegenheiten. In dem für Polizeifragen zuständigen Sicherheitsausschuß wird auch die Frage der Rechtmäßigkeit von CS– und CN– Gaseinsätzen gegen Demonstranten am Bauzaun in Wackersdorf diskutiert. Die Grünen wollen Ende Februar vor dem Bayeri schen Verwaltungsgerichtshof gegen ihren Ausschluß klagen. Außerdem weigert sich der juristische Dienst des Landtags auf Anweisung des Direktors des Landtagsamtes Kremer, für die Grünen zu arbeiten. Wie sehr die CSU davon überzeugt ist, uneingeschränkt über „ihre Untertanen“ bestimmen zu können, zeigt auch der „Kontaktsperrebeschluß“ für Beamte. In einem Ministerratsbeschluß verfügte die bayerische Staatskanzlei, daß Beamte „keinesfalls an den öffentlichen Fraktionssitzungen der Grünen sowie anderen Sitzungen teilnehmen sollten. Spezialist für das Anprangern der zahlreichen Rechtsbrüche und „Rechtsverbiegungen“ ist in der Grünen–Fraktion der ehemalige Arbeitsrichter Hartmut Bäumer. Obwohl die Grüne Bundestagsfraktion erfolglos gegen ihren Rausschmiß aus der Bonner „Parlamentarischen Kontrollkommission“ (PKK) klagte, sieht Bäumer eine Chance für die „bayerische“ Klage: „Die PKK ist ein Kontrollgremium mit engbegrenzten Rechten, während wir hier von Teilen der klassischen Innenpolitik ausgeschaltet werden.“ Unter dem Begriff „Angst vor grüner Kultur“ hat Margarethe Bause die mehr absurden und kleinkarierten Versuche, den Grünen die Arbeit zu vermiesen, gesammelt. Mit der Begründung, das würde die Fassade verändern, mußten grüne Plakate und ein harmloser Häkelvorhang aus den Fenstern der grünen Büroräume verschwinden. Ein Fest im Senatssaal wurde nicht genehmigt. Schwerwiegender ist jedoch, daß bis heute noch nicht festgelegt ist, wieviel Geld die grüne Fraktion monatlich bekommt. Die 50.000 Mark Aufwandsentschädigung für die Fraktionsarbeit der Liberalen kassierten die Altparteien, nachdem die FDP den Sprung in den Landtag nicht mehr schaffte. Trotz Stimmverlusten wollen CSU und SPD nichts abgeben, vielmehr wurde der Etat insgesamt erhöht. Gestern erfuhr die grüne Fraktion, daß sie nur 91.000 Mark, also weit weniger als die FDP in der vergangenen Legislaturperiode, erhalten soll. Vor der Bundestagswahl wurde mit diesen Zahlen noch hinterm Berg gehalten. „Das Diffamierungspotential soll nicht zu groß werden“, meinte CSU–Fraktionschef Tandler wörtlich. „Die Männer sind zwar nicht einsichtiger, aber vorsichtiger geworden“, umschreibt Margarethe Bause das Verhalten der „hohen Herren“ nach der öffentlichen „Sexismus–Debatte“. Zusammen mit den SPD–Frauen wehrten sich die Grünen Frauen gegen diskriminierende Zwischenrufe aus dem schwarzen Lager. Doch nicht immer klappt die Zusammenarbeit mit der „roten Opposition“ so gut. So lehnt die SPD die Volkszählung nur deshalb ab, weil die Finanzierung durch die Gemeinden nicht abgesichert ist. Einen Aufruf zum Boykott, den die Grünen planen, geißelten sie als Rechtsbruch. Berührungsängste gäbe es jedoch von ihrer Seite nicht, versicherten einige SPD– Abgeordnete. „Mir sind sie fast a bissl zu brav“, meinte gar der SPD–Abgeordnete Zierer. In Sachen Umweltpolitik jedenfalls fühle sich die SPD nicht in Zugzwang, beeilte sich SPD–Umweltsprecher Kolo zu betonen. Während Bäumer trotz aller Stolpersteine die Grünen „mehr im Aufwind“ sieht, formuliert M. Bause vorsichtiger: „Wir sind halt doch nur der Stachel im Fleisch.“