Die letzte Karte

■ Zum Rücktritt des hessischen Ministerpräsidenten

Daß Börner Krankheit und Politik alsbald zu einem Knoten schürzen würde, war zu erwarten. Daß er es so schnell getan hat, gibt der sozialdemokratischen Regierungspolitik in Hessen noch einmal den Schein politischer Handlungsfreiheit, allerdings nichts als den Schein. Aber - da diese Politik am Ende war - kommt es schließlich auf den Schein an. Für die regierende SPD in Wiesbaden war es immer entscheidend, die rot–grüne Koalition als Machterhaltungsbündnis kleinzuhalten. In dem Moment, in dem der schwelende Konflikt um die Hanauer Atomfabriken aus dem Ruder lief und zum prinzipiellen Konflikt wurde, gerieten die regierenden Sozialdemokraten in die Gefahr, von den Grünen selbst zur Einhaltung ihrer eigenen Parteibeschlüsse erpreßt zu werden. Ein Börner, der den sozialdemokratischen Beschluß des Ausstiegs aus der Plutoniumwirtschaft ernstgenommen hätte, hätte zugleich das grüne Ultimatum akzeptiert. Das grüne Ultimatum nicht zu akzeptieren und als Ministerpräsident aufzutrumpfen, hätte Börner wiederum in den offenen Kampf mit der Partei, zumindest mit Hessen–Süd, gebracht. So aber, mit der Demütigung Fischers und seinem schnellen Rücktritt ist die Erpressung abgewehrt und das Thema der Erpressung selbst wiederum Verhandlungsmasse - auch einer rot–grünen Koalition geworden. Nach der Wahlniederlage der SPD stehen die Zeichen auf Veränderung. Sowohl die außenpolitischen als auch die industriepolitischen Optionen der Schmidtschen Volkspartei haben keine Zukunft mehr. Aber die Linke taktiert um personelle Startpositionen und scheut den Streit um die künftige SPD. Denn dieser Streit würde die alte Betonmischung von Gewerkschaft, industriellem Fortschritt und Sozialstaat, kurz die alte Volkspartei, antasten. Die SPD–Linke scheint von ihren Zukunftschancen so blockiert zu sein, daß zumindest in Hessen Zeit bleibt für jene schnelle Wendung von Börner zu Krollmann. Der Bezirksparteitag Hessen–Süd wird vor der Frage stehen, ob vor dem Schatten Wallmanns noch einmal in eine Machterhaltungspolitik geflüchtet wird, in eine Politik, die Börner, der letzte Saurier der Schmidt–Ära, faktisch beendet hat. Klaus Hartung