Geheimkapitel im Datenschutzbericht

■ Bundesdatenschutzbeauftragter Baumann stellt Tätigkeitsbericht vor / Verfassungsschutzkapitel darf nicht veröffentlicht werden / BKA erfaßt immer mehr / Baumann über taz verärgert

Aus Bonn Oliver Tolmein

Der gestern veröffentlichte Bericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Baumann, hat ein Kapitel weniger als sonst: Das Bundesinnenministerium hatte Geheimhaltungsbedenken gegen die Publikation der Ergebnisse der Überprüfung des Verfassungsschutzes. Baumann kritisierte diese bisher einmalige Maßnahme vor der Presse und kündigte an, sich an den Bundestag wenden zu wollen damit „künftig wieder eine offene Berichterstattung erfolgen kann“. Der Bericht des Datenschutzbeauftragten über den Bundesnach richtendienst darf schon länger aus Geheimhaltungsggründen nicht veröffentlicht werden. Von seinem neunten Tätigkeitsbericht sagt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz selbst, er zeige „Licht und Schatten“ der derzeitigen Praxis. Insgesamt sei 1986 zwar ein „schwieriges Jahr für den Datenschutz“ gewesen, er habe „wenig an Boden gewonnen“, andererseits sei aber die Einbringung der Sicherheitsgesetze in den Bundestag „positiv zu bewerten“, da die Koalitionsfraktionen „einen erheblichen datenschutzrechtlichen Nachholbedarf anerkannt (haben)“. Die Praxis allerdings ist noch düsterer: 1986 hat vor allem das BKA seine Erfassung erheblich ausgeweitet. Seit Anfang 1986 ist die „Arbeitsdatei PIOS - Innere Sicherheit“ (APIS) in Betrieb: in ihr sammeln die LKAs und das BKA Daten, die bislang in der PIOS–Terrorismus–Datei gespeichert wurden, sowie weitere Staatsschutzdelikte. Dem Datenschutzbeauftragten ist allerdings aufgefallen, daß in APIS auch „Personen und insbesondere deren Umfeld einbezogen werden, denen z.B. Sachbeschädigung durch Plakatieren oder Beleidigung, wenn die Polizei dahinter politische Motive vermutet (vorgeworfen werden)“. Auch im Bereich der ebenfalls vom BKA geführten SPUDOK–Dateien verzeichnet Baumann eine kontinuierliche Ausweitung der Erfassung auf „andere Personen“. Die gesetzlich vorgesehene Unterrichtung der Erfaßten über ihre Aufnahme in die Datei allerdings unterbleibt. Viel konkreter wird der Bericht allerdings nicht: „Eine praktische Kontrolle der jeweiligen Datenverarbeitung ist mir angesichts der wachsenden Zahl von neuen Anwendungen allenfalls noch punktuell möglich.“ Fortsetzung Seite 2 Kommentar Seite 4 An einem weiteren Punkt verstößt das BKA gegen die Empfehlungen des Datenschutzbeauftragten: Es benutzt weiterhin das nachrichtendienstliche Informationssystem NADIS des Bundesamtes für Verfassungsschutz, obwohl vereinbart worden war, daß dieses nach der Einrichtung der BKA–eigenen Datenbank APIS unterbleibt. Kritik äußerte Baumann auch am MAD, der zu der vor der Kießling–Affaire geübten Praxis zurückkehren will, bei Sicherheitsüberprüfungen erhobene soziale Merkmale EDV–gemäß zu verarbeiten. Seit der Kießling–Affaire wurden solche Angaben „nur noch“ in der regulären Personalakte festgehalten. Beim Bundesgrenzschutz vermerkt Baumanns Bericht lapidar: „Meine datenschutzrechtlichen Bedenken blieben weitgehend unberücksichtigt.“ Die Errichtungsanordnung für den Grenzaktennachweis läßt auch weiterhin zu, daß Nachrichtendienste fast ungehinderten Zugriff haben. Verärgert zeigte sich Baumann über die Veröffentlichung seines Schreibens an den Bundesinnenminister, in dem er auf Widersprüche zwischen dem neuen Bundesstatistikgesetz und dem Volkszählungsgesetz hingewiesen hatte. Der taz–Artikel unterstelle ihm Bedenken gegenüber der Volkszählung: Das sei nicht der Fall. Es sei lediglich darum gegangen eine unklare Rechtslage, die durch Abweichungen des neuen vom alten Bundesstatistikgesetz entstanden sei, zu verhindern. Er habe sich mittlerweile mit dem Bundesin nenminister verständigt, daß nicht alle Paragraphen des neuen Bundesstatistikgesetzes auf die Volkszählung Anwendung fänden. Details wollte er allerdings nicht mitteilen.