I N T E R V I E W Prominenten–Konvoi in die Lager

■ Alexander Schubart, Mitglied der „Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden“ der Grünen fordert schnellste Hilfe für die Palästinenser im Libanon

taz: Sie haben Sich als Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Frieden für eine politische Initiative der Grünen zu dem Krieg gegen die palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon eingesetzt. Was sollen die Grünen unternehmen? Alexander Schubart: Ich hatte in der BAG Frieden beantragt, daß die Bundestagsfraktion der Grünen schon in der konstituierenden Sitzung des Bundestages einen Antrag einbringt, der zwei Punkte betraf. Im ersten Punkt ging es um eine diplomatische blockübergreifende Initiative der BRD und der Sowjetunion in der syrischen Hauptstadt Damaskus gegenüber Hafiz al Assad mit der dringenden Bitte, sofort alles zu unternehmen, um die Belagerung der Lager durch die Schiitenmiliz Amal zu beenden, und sich zweitens gegenüber Amal dafür einzusetzen, daß ein Konvoi mit Medikamenten und Lebensmitteln sofort in die drei hauptsächlich bedrohten Lager Borj al Brajneh, Raschediyeh und Shatila geschickt wird. Der zweite Punkt betraf die humanitäre Aktion als solche. Es sollen im Bundeshaushalt sofort 110 Millionen DM bereitgestellt werden, um einen solchen Konvoi auszurüsten. Dieser Konvoi sollte von Persönlichkeiten begleitet werden, die auch im Libanon und im Nahen Osten einen Namen haben, wie zum Beispiel Kreisky oder Kirchenführer. Die Zeit drängt. Meinen Sie nicht, daß es zu spät sein könnte, bis eine solch hochkarätige Delegation zusammengestellt worden ist? Auch uns drängt es sehr, nur was können wir sonst tun? Lebensmittel könnten sicher sehr schnell geschickt werden, nur wäre es völlig aussichtslos, daß sie auch in die umzingelten Lager gelangen. Dagegen wird man es schon schwer haben, einen Konvoi mit einer markanten internationalen Besetzung einfach zurückzuweisen. Ich glaube, daß auch bei den Amal–Milizen noch ein Rest von Sensibilität gegenüber internationaler Öffentlichkeit vorhanden ist. Selbst das Internationale Rote Kreuz wird nicht mehr in die Lager hineingelassen. Macht Ihr Euch trotzdem Hoffnungen oder handelt es sich eher um eine symbolische Aktion? Nein, es ist eine Aktion mit einem zugegebenermaßen sehr geringen Hoffnungsgrad. Aber auch diese geringe Chance muß noch ausgeschöpft werden. Wir wissen ja, wie verfahren, ja hoffnungslos die Lage ist, aber was sonst, frage ich zurück, was anderes als ein solcher Notschrei hat wenigstens noch eine minimale Aussicht auf Erfolg? Was war der Auslöser für Sie, jetzt aktiv zu werden, nachdem der Lagerkrieg doch bereits seit vier Monaten andauert? Für mich war zweierlei ausschlaggebend. Zum ersten das Mitempfinden für die legitimen Rechte der Palästinenser und ihre aktuelle Bedrohung angesichts der Belagerung ihrer Lager im Libanon. Zum zweiten aber war für mich auch ausschlaggebend, daß ich als Deutscher weiß, welche Politik zwischen 1933 und 1945 von Deutschland aus unter dem Stichwort „Endlösung“ betrieben worden ist. Ich sage mir, es geht nicht nur um die Opfer, das sind die Juden, sondern es geht auch um die Opfer der Opfer, und das sind die Palästinenser. Die Kausalkette, die heute bei der Belagerung der Palästienserlager endet, hatte seinerzeit mit der nationalsozialistischen Judenvernichtung, mit der „Endlösung“ eingesetzt. Das Gespräch führte Beate Seel