Zeugen im 129a–Prozeß unerwünscht

■ Im RadiAktiv–Prozeß schmetterte Amtsrichter Voll alle Anträge der Verteidiger ab / Oberpfälzer Realität wird aus dem Gerichtssaal verbannt / Ablösungs– und Befangenheitsanträge vom Gericht abgelehnt

Aus Nürnberg Bernd Siegler

Mit schweren Vorwürfen gegen die Verhandlungsführung von Richter Voll begann im Nürnberger Amtsgericht der vierte Verhandlungstag im RadiAktiv– Prozeß. Beklagt wurde, daß Richter Voll sämtliche Beweisanträge der Verteidiger abgelehnt habe. Die drei verantwortlichen Redakteure des Magazins müssen sich wegen Aufforderung zu Straftaten und Verunglimpfung des bayerischen Wappens verantworten. Auf der Titelseite von RadiAktiv waren die bayerischen Löwen mit Helm, Knüppel sowie Pistole und umgeben von bissigen Hunden dargestellt. Dies stellt - so Staatsanwalt Breitinger - den Tatbestand einer Schmähkritik dar, um den Freistaat als „brutalen Polizeistaat“ zu diffamieren. Den Wahrheitsbeweis, daß die Titelseite durchaus mit der Realität in der Oberpfalz im Einklang steht, ließ Richter Voll bisher nicht zu. Eine Fülle von konkreten Beweisanträgen, in denen insbesondere Augenzeugen aus der Oberpfalz Polizeiübergriffe und schikanöse Behandlungen bestätigen sollten, lehnte er ab. Die Regensburger Anwältin Schenk wertete das als Versuch auf, „auf jeden Fall die Wackersdorfer Realität aus diesem Verfahren zu verbannen, um eine Verurteilung zu erzielen“. Richter Voll begründete die Zeugenablehnung mit dem prozessualen Mittel der Wahrheitsunterstellung, das üblicherweise immer zugunsten von Angeklagten Anwendung findet. Weil es unstrittig sei, daß es an der WAA flächendeckende CS–Gaseinsätze, absichtliche Hundebisse durch Polizeihunde und brutale Übergriffe von Sondereinsatzkommandos gegeben habe, könne auf Zeugenaussagen verzichtet werden. Damit ist der Verteidi gung die Möglichkeit genommen, mit Zeugen die Angemessenheit der Titelgestaltung von RadiAktiv zu fundieren. Als zweite Ablehnungsbegründung griff Richter Voll im Einklang mit Staatsanwalt Breitinger zur „Zeitpunkttheorie“. Alle Vorfälle, die sich nach Erstellung des inkriminierten Titelblattes ereignet haben, bezeichnete er als für die Entscheidung unerheblich. Für die Anwälte ist es jedoch gera dezu ein „Qualitätsmerkmal“ von Zeitbeobachtern, Künstlern und Journalisten, wenn es ihnen gelingt, Tendenzen aufzuzeigen, die sich in der weiteren Entwicklung bewahrheiten. Entsprechende Gutachten lehnte Richter Voll mit Hinweis auf die Sachkompetenz des Gerichts ab. Ein Ablösungsantrag gegen Staatsanwalt Breitinger wurde ebenfalls abgelehnt. Breitinger hatte in einem Beweisantrag die Angeklagten als „militante WAA–Gegner“ bezeichnet. Die Anwälte rügten dies als Vorverurteilung und mangelnde Objektivität. Oberstaatsanwalt Stöckel hielt jedoch diese Bezeichnung für gerechtfertigt. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Befangenheitsantrag gegen Richter Voll, der für die unangemessen scharfen Sicherheitsvorkehrungen beim Prozeß verantwortlich sei. Die richterliche Unabhängigkeit sei damit in Frage gestellt und das Prinzip der Öffentlichkeit verletzt, hatten die Anwälte argumentiert.