I N T E R V I E W Gemeinsamkeit mit Unterschieden

■ Jutta Ditfurth plädiert für einen gemeinsamen Wahlkampf von Fundis und Realos und für eine gemeinsame Liste / Eine Koalition mit der SPD will sie am liebsten ausschließen

taz: Welche Strategie verfolgt ihr als Radikalökologen im bevorstehenden Wahlkampf in Hessen? Wie gemeinsam mit den Realos? Jutta Ditfurth: Gemeinsamkeit heißt ja nie, und das bezieht sich auf die Bundestagswahlen, daß da Unterschiede aufgehoben worden wären. Das Beste, was jetzt in Hessen passieren könnte, wäre, wenn es nach diesen häßlichen und widerlichen Auseinandersetzungen um die Aufstellung der Landesliste zu den Bundestagswahlen, endlich zu einer Form der Zusammenarbeit in diesem zerissenen Landesverband käme. Unser Angebot: Wenn wir Radikalökologen an der Landesliste beteiligt sind, werden wir intensiven Wahlkampf machen. Mit welchem Ziel? Wir werden die besonderen politischen Inhalte der Grünen herausstellen, also authentische, radikale Inhalte im demokratischen, ökologischen und sozialen Bereich. Wir sind Teil und verwoben mit den sozialen Bewegungen, mit dem außerparlamentarischen Widerstand, sind aber bereit zur Zusammenarbeit mit anderen Parteien, wenn es dafür eine inhaltliche Grundlage gibt. Die Palette reicht von Opposition, punktueller Zusammenarbeit bis hin zu verschiedenen Tolerierungsmodellen einer SPD–Minderheitsregierung. Eine Koalition mit der SPD schließe ich aus. Zeigt nicht gerade der Bruch zwischen zwischen Grünen und SPD in Hessen, daß das Experiment Koalition funktioniert hat? Gescheitert wäre es doch, wenn die Grünen trotz der SPD–Politik in Sachen ALKEM weitergemacht hätten? Koalitionen sind für mich Politikformen, in denen Posten über Inhalten stehen. Und in denen man substanzielle Inhalte grüner Politik nicht durchkriegt. Der Witz an der hessischen SPD–Entwicklung ist doch, daß diese konsequente Haltung oder auch dieses ultimative inhaltsbezogene Auftreten von seiten der Realos überhaupt nicht geplant war. Die sind doch mit einem ganz lapprigen und unkonkreten Antrag in die Landesversammlung gegangen. Erst nachdem Fischer und den Realos im Saal klar wurde, daß die Stimmung auf unserer Seite war, die besagte, an diesem Punkt Atomenergie gibt es keine verlogenen Kompromisse, mußten sie ihren eigenen Antrag radikalisieren. Die haben ihren Antrag zum großen Teil verändert und konkretisiert. Darauf hat dann Börner reagiert. Wenn du die entsetzten Gesichter der Realos dabei gesehen hättest, dann wäre dir klar geworden, daß wieder einmal eine faule Geschichte geplant war. Wenn du den Grünen in der Koalition rückblickend eine Note geben müßtest, wie wäre die? Ich bin gegen das Notensystem. Fakt ist, daß die Grünen in der Koalition eine Schwächung des Widerstandes bedeuteten. D.h. eine Schwächung des gesellschaftlichen Druckes auf das Parlament in Wiesbaden. Wir brauchen diesen Widerstand aber, um im Parlament substanzielle Reformen durchzusetzen. In der schlechten Tolerierungsphase vor der Koalition ist immer noch mehr an Substanz durchgesetzt worden als in der Koalitionszeit. Wenn SPD und Grüne die Mehrheit wieder kriegen sollen, dann mußt du doch den Wählern etwas für diese Mehrheit anbieten. Ich kämpfe doch für andere Inhalte. Ich will natürlich in Hessen eine rechnerische rosa–grüne Mehrheit, um über Inhalte zu verhindern, daß sich eine reaktionäre Politik sich durchsetzt. Haben die Grünen ihre Identität in der Koalition verloren? Wir haben ein großes Stück Glaubwürdigkeit verloren, das allerdings vielleicht darüber wieder gerettet werden kann, wenn wir an der Atomenergiefrage hart bleiben und Punkte unserer eigentlichen inhaltlichen Identität wieder aufnehmen. Würdest du einen Mehrheitsbeschluß für eine Koalition des Landesverbandes mittragen? Selbstverständlich würden wir trotzdem mitarbeiten. Mehrheitsbeschlüsse sind zu respektieren, aber die Landesversammlung muß erst entscheiden, nicht irgendwelche Realo–Funktionäre. Wirst du für den Landtag kandidieren? Ich werde nicht kandidieren. Interview: mtm