Rotbuch–Verlag unterliegt

■ „Antes & Co: Geschichten aus dem Berliner Sumpf“ dürfen nur zensiert erscheinen

Von B.M. Mülder

Berlin (taz) - Die Richter haben sich im Namen des Volkes auf die Seite der Namenlosen geschlagen, konstatierten die Autoren von „Antes & Co“. Gestern wurde ein noch nicht rechtskräftiger Beschluß der Pressekambeim Berliner Landgericht bekannt, nach dem die Verleger dafür sorgen sollen, daß Bücher mit vom Gericht als inkriminierend bezeichneten Passagen, welche bereits im Handel sind, vom Markt verschwinden müssen. Gegenstand des Zivilverfahrens, das die Berliner Baugrößen Otremba, Hauert und Noack angestrengt hatten, waren die von „Rotbuch“ herausgegebenen „Geschichten aus dem Berliner Sumpf“. Im Dezember letzten Jahres konnten die drei Unternehmer per einstweiliger Verfügung ein Auslieferungsverbot für die zweite Auflage des Skandal–Dossiers erwirken. Dabei ging es nicht etwa darum, daß die Autoren, Sontheimer und Vorfelder, unwahre oder gar falsche Tatsachen über die Baulöwen verbreitet hätten, sondern nach Ansicht des Gerichtes schon allein durch „Tatsachenfeststellungen“ die Persönlichkeitsrechte der Unternehmer verletzt hätten. Fortsetzung auf Seite 2 LAND WUNDERBAR es gibt ein land wunderbar in diesem land sind wunder rar doch ist dies wahr geht alles mit der steuer klar bekommt man hier die wunder bar auf die hand die die andere wäscht WOLFGANG REUS Diese Feststellungen beinhalteten nicht mehr, als daß die drei Unternehmer Objekt „inzwischen eingestellter Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechung“ waren. Zusätzlich wurde auf ihre rege Spendentätigkeit zugunsten der Berliner CDU von zusammen 84.000 Mark 1984 und 1985 hingewiesen worden. Der Vorsitzende Richter Siebert monierte neben der angeblichen Verletzung der Persönlichkeitsrechte die Prangerwirkung und befürchtete außerdem, die Resozialisierung der Unternehmer könne Schaden nehmen. Damit war dem Verlag die Auslieferung verboten. Als dann aber drei Tage nach Ausstellung der Verfügung - dazwischen lag ein Wochenende - Emissäre der Baulöwen in Berliner Buchhandlungen nach dem corpus delicti fahndeten und trotz der vom Verlag gestoppten Auslieferung von 2.000 Exemplaren fündig wurden, beantragte der Rechtsanwalt der Unternehmer, Dr. Peter Raue, eine Strafe wegen Zuwiderhandlung. Diesem Antrag, dem das Gericht mit einem Ordnungsgeld von 3.000 Mark stattgab, liegt der jetzt ergangene Beschluß zu Grunde. Danach hat ein Verlag nicht nur die weitere Auslieferung zu unterlassen, sondern auch alles „Zumutbare zu unternehmen, eine weitere Verbreitung der in den Buchhandel gelangten Exemplare zu verhindern“. Dazu sei erforderlich, daß die Buchhändler noch am gleichen Tag zur Rückgabeaufgefordert werden, „auch wenn diese keine entsprechende Verpflichtung trifft“. Schuldhaft habe der Verlag dies unterlassen. Damit habe das Gericht, so Wagenbach, eine „neue Qualität Berliner Rechtsprechung“ geschaffen. Das Gericht habe sich parteilich zum Handlanger für Privatinteressen gemacht. Während die zweite Auflage aufgrund der richterlichen Beschlüsse zum Teil geschwärzt auf den Markt kam, erscheint die dritte nun ohne die beanstandeten Passagen und mit einem neuen Vorwort versehen. Der Rotbuch–Verlag, dem der Börsenverein des Buchhandels Unterstützung zugesagt hat, will indes auf jeden Fall Rechtsmittel einlegen.