Kostenloser Diener vor der Frauenforschung

■ Zweitägiges Kolloquium im Berliner Reichstag bringt die krasse Benachteiligung von Frauen in Forschung und Lehre erneut zutage Der Berliner Senat visiert nur „außeruniversitäre“ Förderung an / Finanzielle Ausstattung und Organisation sind noch im Unklaren

Aus Berlin Helga Lukoschat

„Als Wissenschaftler und auch als Mann kann ich nur sagen: Hut ab vor der Frauenforschung“. Zum Abschluß eines zweitägigen Kolloquiums zur Förderung der Frauenforschung im Berliner Reichstag verneigte sich Gastgeber Professor Dierkes vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) noch einmal tief vor den eingeladenen Wissenschaftlerinnen. Doch den Unmut der über hundert Teilnehmerinnen konnte er mit solchen Statements nicht mehr beschwichtigen. Diese protestierten in einer offiziellen Stellungnahme gegen ihre „Mißachtung“ durch die Politiker des Berliner Abgeordnetenhauses und sahen sich „ernsthaft“ getäuscht. Denn die eigentlichen Adressaten der Konferenz, die Politiker und Auftraggeber öffentlicher und privater Forschung, glänzten durch Abwesenheit. Dabei hatten alle Fraktionen des Berliner Senats im Sommer beschlossen „zu prüfen, wie in Berlin Frauenforschung betrieben werden kann. Hierfür soll in einen Kolloquium auf die For schungsinhalte und möglichen Organisationsformen eingegangen werden (...). Ziel soll die Erforschung der vielfältigen Benachteiligung von Frauen sein (...)“. Das WZB hatte den Auftrag erhalten, ein mögliches Förderkonzept zu erarbeiten, das im Laufe des zweiten Tages dann tatsächlich den Wissenschaftlerinnen vorgestellt wurde. Doch vorerst durfte sich die Creme der weiblichen Wissenschaftsszene in vielen klugen Referaten und Diskussionsbeiträgen gegenseitig bestätigen, wie wichtig und förderungswürdig Frauenforschung ist und wie beklagenswert die Situation der Frauen an der Hochschule. Über das öffentliche Desinteresse der Politiker half weder der ewig lächelnde Herr Dierkes noch die fünfminütige Begrüßung durch den Wissenschaftssenator Turner. So paßte dies Verhalten ganz in den üblichen Umgang mit der „Frauenförderung“. Zwar gibt es im Berliner Hochschulgesetz den Passus, die Benachteiligung weiblicher Hochschulangehöriger abzubauen, und auch eine Frauenbeauftragte ist vorgesehen. Aber Kompetenzen hat sie keine, und nirgends sind konkrete Verfassungsvorschriften formuliert. Beschlüsse, bei der Stellenvergabe bevorzugt Wissenschaftlerinnen zu berücksichtigen, gibt es in Berlin schon seit 1980. Doch die Zahl der Frauen ist im akademischen Mittelbau nur minimal gestiegen, bei den Professorinnen stagnierte sie und ging bei den höchstdotierten Professuren sogar leicht auf 2,1 Prozent zurück. In der eben novellierten Fassung des Hochschulgesetzes wird auf allen Entscheidungsebenen die Professorenmehrheit gestärkt. Und das sind in Berlin wie bundesweit zu 95 Prozent Männer. Und jetzt soll es laut Senat einen außeruniversitären Fördertopf für Frauenforschung und Wissenschaftlerinnen geben. Das Konzept des WZB jedoch rief den Unwillen der Teilnehmerinnen hervor. „Besser, es wäre nicht geschrieben worden“, machte Heide Pfarr, Arbeitsrechtlerin und Vizepräsidentin der Uni Hamburg ihrem Ärger Luft. Hatte sie in ihren Beiträgen doch immer wieder darauf bestanden, wie wichtig konkrete Verfahrensangaben seien. Davon stand in dem Papier ebensowenig, wie Angaben zum finanziellen Umfang der Förderung gemacht wurden. Höchst allgemein lautete der Vorschlag, Frauenforschungsprojekte zu fördern, Stipendien an Nachwuchswissenschaftlerinnen zu vergeben und die Infrastruktur durch Finanzierung von Archiven, Publikationen und Tagungen zu verbessern. Zum Organisatorischen stellte die Vorgabe lapidar fest, eine „unabhängige Förderungskommission“ einzusetzen. Zu den Vergabebedingungen der Gelder schwieg es sich gänzlich aus. Dennoch zeichnete sich in der Diskussion ab, daß die Wissenschaftlerinnen sich auf dieses Angebot einlassen werden, obwohl ihnen bewußt ist, daß sich dadurch an der Situation an den Hochschulen nichts ändern wird. Denn zu desolat sind die Berufsperspektiven, als daß das kleinste Anzeichen von Goodwill zurückgewiesen werden dürfte. Immerhin beschlossen die Frauen, die weitere Ausgestaltung des Förderkonzepts nicht allein dem WZB zu überlassen. Eine Arbeitsgruppe soll entlang der entwickelten Vorgaben weiterarbeiten. Einigkeit bestand darüber, ein Beirätinnen– Gremium zu fordern, das möglichst unabhängig von staatlicher Einflußnahme über die Gelder entscheiden soll. Strittig blieb auch, ob der Fördertopf bei der Frauenbeauftragten des Berliner Senats anzusiedeln sei oder in einer noch zu gründenden Stiftung. Zumindest unbescheiden wurde ein jährlicher Etat von acht Millionen anvisiert, in Anlehnung an die Summe, die für die projektierte Akademie der Wissenschaften in Berlin im Gespräch ist. Vornehm sprachen die Frauen offiziell vom „Konkurrenzdruck“, bei den Pausengesprächen hieß es dann schon drastischer: „Das gibt eine Riesenklopperei“. Wie diese letztlich vermieden werden kann und wie die Forderungen angesichts der CDU–Mehrheiten im Berliner Senat durchzusetzen sind, blieb vorerst offen. „Die Frauen müssen endlich eine Lobby bilden“, regte Marlis Dürkop, Rektorin der Fachhochschule für Sozialpädagogik, an. Dafür wenigstens wurde auf dieser Konferenz ein Anfang gemacht.