G A S T K O M M E N T A R Kuschelweiche Justiz

■ Im Bonner Spendenprozeß ist das Urteil gesprochen

Auch beim Bonner Landgericht werden die Parteispendensünder bevorzugt abgefertigt. Ungeachtet des in die Millionen gehenden Schadens zu Lasten der Staatskasse, ungeachtet der außergewöhnlichen kriminellen Intensität, die den Angeklagten anzulasten ist, wurden sie von der Bonner Strafkammer mit einem Urteil der extramilden Sorte bedient. Kürzlich stand ein 21jähriger in Westberlin vor Gericht, ein Spätaussiedler, der in schwierigen sozialen Verhältnissen aufgewachsen war. Mehrere Jahre hatte er in einem geschlossenen Jugendheim verbracht. Er wurde wegen Serieneinbrüchen zu einer Strafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Schaden war im Vergleich zu den hinterzogenen Steuermillionen gering. Das ist gewiß kein Einzelfall. So widerlegt die Justiz jedenfalls einmal mehr die von ihr unbeirrbar wiederholte Behauptung, sie spreche im Namen des Volkes. Wie im übrigen nicht anders zu erwarten war, reklamiert jetzt die FDP aufgrund der Bonner Entscheidung wieder ein Ministeramt für den Grafen Lambsdorff. Das ist nur konsequent. Ein ausgewiesener Experte in Fragen Steuerhinterziehung sollte rasch wieder das Entree in das Kohl–Kabinett finden, am besten als Finanzminister. Oder hält Graf Lambsdorff eher nach dem Justizressort Ausschau? Immerhin übte er unlängst scharfe Kritik an der deutschen Justiz. Die 68er Richter seien jetzt im Amt und versuchten, das Rechtssystem aufzuweichen. Hat der Graf damit etwa die Bonner Richter gemeint? Otto Schily