Professor Narr rehabilitiert

■ Die Weigerung der niedersächsischen Landesregierung, den Politologen an die TU Hannover zu berufen, war rechtswidrig / Ehrenerklärung nach zwölfjährigem Rechtsstreit

Aus Hannover Jürgen Voges

„Von unten bis oben rehabilitiert“ fühlt sich der Berliner Politologe Wolf–Dieter Narr, nachdem das Oberverwaltungsgericht Lüneburg einen zwölfjährigen Rechtsstreit des Professors mit der niedersächsischen Landesregierung zu dessen Gunsten entschieden hat. Die Lüneburger Richter erklärten am Montag die Entscheidung des niedersächsischen Landeskabinetts für rechtswidrig, durch die im Jahre 1975 dem Politologen eine Berufung an die damals neugegründete Juristische Fakultät verweigert worden war. Eine Revision ließ der 2. Senat des Oberverwaltungsgericht nicht zu. In dem umstrittenen Berufsverfahren waren bei einer Anhörung nach dem Radikalenerlaß keinerlei Zweifel an der Verfassungstreue von Wolf–Dieter Narr festgestellt worden. Dennoch hatte die damalige SPD/FDP–Landesregierung sich per Kabinettsbeschluß mit der Begründung gegen ihn entschieden, bei seiner Berufung sei die „Ausgewogenheit der wissenschaftlichen Lehrmeinungen“ an der juristischen Fakultät nicht mehr gegeben. Der damalige niedersächsische Wissenschaftminister Joist Grolle, der als einziger im Kabinett für die Berufung Narrs gestimmt hatte, sagte jetzt vor dem OVG aus, daß er diese Begründung von Anfang an für falsch und auch für unaufrichtig gehalten habe. Ausschlaggebend für die Ablehnung von Narr sei in Wirklichkeit dessen individuelles politisches Verhalten gewesen. Vor allem der damalige FDP–Innenminister Röttger Gross habe massive politische Vorbehalte gegen Narr geltend gemacht und eine Berufung des Politologen als „Koalitionsfrage“ angesehen. Röttger Gross beharrte allerdings bei seiner Vernehmung in Lüneburg darauf, daß für ihn die Frage der wissenschaftlichen Pluralität ausschlaggebend für die Ablehnung von Narr gewesen sei. Er mußte aber eingestehen, daß er nie eine Schrift von Narr gelesen habe.