Zählung: Alle gegen einen

■ CDU/CSU/SPD/FDP halten gemeinsame Pressekonferenz für Volkszählung und gegen die Grünen ab / Attacken auch gegen die taz / Grüne bleiben bei Ablehnung

Aus Bonn Oliver Tolmein

In Bonn hat nach zweistündiger Sitzung der Innenausschuß des Deutschen Bundestages eine Entschließung zur Volkszählung verabschiedet. In seltener Einmütigkeit gaben anschließend FDP/ CDU/CSU und SPD eine Pressekonferenz, in der die Grünen wegen ihres Boykottaufrufes scharf angegriffen wurden. In der Innenausschußsitzung selbst hatten Abgeordnete der Unionsparteien dafür plädiert, daß der Boykottaufruf durch die Grünen auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen müßte. Der FDP–Abgeordnete Hirsch meinte dagegen, daß sich über Zwangsmaßnahmen die Volkszählung nicht durchsetzen lassen werde. Unzufrieden waren die Parlamentarier auch mit der taz: wie ausgerechnet diese Zeitung an den internen Brief des Datenschutzbeauftragten an Bundesinnenminister Zimmermann gelangen konnte? Der im Innenausschuß anwesende Datenschutzbeauftragte konnte darauf nur versichern, er selbst habe das Schreiben nicht an die taz übermittelt. In der einstündigen Pressekonferenz argumentierten vor allem die SPD–Abgeordneten Wernitz und Nöbel für die Volkszählung. CSU–Ausschußmitglied Fellner warf den Grünen vor, sie scheuten sich nicht, „durch ihren Boykottaufruf andere ins Unglück zu stürzen“. Wernitz hob hervor, daß der Boykottaufruf gegen die Volkszählung nicht berücksichtige, daß die einzelnen auch Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft hätten. Auf die Boykottaufrufe von SPD Gruppierungen, wie den Jusos und dem–SPD– Unterbezirk Aachen angesprochen, unterstrich Wernitz, daß die SPD eindeutig und geschlossen für die Volkszählung eintrete - „unbeschadet davon sind natürlich unterschiedliche Akzentsetzungen“. Fortsetzung auf Seite 2 Im Anschluß an die Alt–Parteien informierten die Grünen über ihre nicht ausgeräumten Befürchtungen. Christian Ströbele wies darauf hin, daß auch nach der heutigen Innenausschußsitzung viele Fragen ungeklärt seien: Wann beispielsweise Name und Anschrift vom Erhebungsbogen abgetrennt würden, wisse niemand. Auch sei nicht präzise definiert, wozu die Bürger verpflichtet bzw. ab wann sie mit Bußgeldbescheiden bedroht werden könnten: Reiche es aus, seinen Fragebogen leer zurückzuschicken, oder müsse er ordnungsgemäß ausgefüllt sein? „Nur ein leerer, unausgefüllter Volkszählungsbogen ist ein sicherer Fragebogen“, so Ströbele. Die politischen Bedenken der Grünen gegen die Totalerfassung sei durch die jüngst durchgepeitschten Staatsschutzgesetze bestätigt worden: So wie die Daten des Kraftfahrzeugbundesamtes durch das ZEVIS Gesetz im Nachhinein dem polizeilichen on–line– Zugriff ausgesetzt seien, könnten auch durch ein einfaches Bundesgesetz die Volkszählungsdaten im nachhinein für eine Rasterfahndung verwandt werden. Vorbereitungen planmäßig Nach den Worten des Parlamentarischen Staatssekretärs im Innenministerium, Horst Waffenschmidt (CDU), laufen die Vorbereitungen für die Volkszählung fast überall planmäßig. Die Zählerwerbung und -gewinnung sei angelaufen, sagte er vor dem Ausschuß. Dort, wo es Schwierigkeiten bei der Zählergewinnung auf freiwilliger Basis gebe, wie etwa in Hamburg oder Stuttgart, gingen die Städte davon aus, daß der Bedarf durch Angehörige des öffentlichen Dienstes gedeckt werden könne. Nach seinen Worten ist beabsichtigt, für Angehörige des öffentlichen Dienstes, die ihre Zählertätigkeit außerhalb des Dienstes erledigen, eine angemessene Freizeitregelung zu schaffen. Zur rechtlichen Problematik stellte Staatssekretär Waffenschmidt vom Bundesinnenministerium klar, daß das Volkszählungsgesetz als Spezialgesetz Vorrang habe gegenüber dem Statistikgesetz, und daß das Statistikgesetz nur ergänzend dort eingreife, wo das Volkszählungsgesetz schweige. (dpa/ap)