: Altlast Rotation
■ Grüne EG–Parlamentarier entdecken, wie wichtig sie sind
Was soll die Aufregung? Ob die eine oder der andere die nächsten zweieinhalb Jahre die Grünen, im Europa–Parlament vertritt - wen kümmerts schon? Bisher wurde von ihrer harten Volksvertretungs–Arbeit kaum Notiz genommen und so wird es auch bleiben. Dafür ist die politische Bedeutung dieser teuersten Schwatzbude Europas viel zu gering. Und bei der Aufstellung der Kandidaten wird dem auch Rechnung getragen: es sind Trostpflaster für abgehalfterte oder Alterssitze für verdiente Parteipolitiker. Die Grünen setzten vor drei Jahren einen - durchaus begrüßenswerten - neuen Akzent: Ruheraum für juristisch verfolgte Linke. Wirklich ernst haben auch sie das Europa– Parlament nie genommen. Man mag dies bedauern, Änderungen fordern - so jedenfalls sind die Grünen vor drei Jahren ins Rennen um die lukrativen Europa–Stimmen gegangen. Damals noch im Vollrausch der Rotations–Idee. Jetzt herrscht Katerstimmung. Gerade wegen ihrer geringen politischen Bedeutung (in der Berliner AL–Fraktion, wo die Altlast eines Rotations–Versprechens zur Zeit ebenfalls Kopfschmerzen bereitet, mag dies anders zu beurteilen sein) bleibt bei dem aktuellen Hickhack um die Rotation der Euro–Grünen nur die Frage, ob sie sich selbst ernst nehmen: alle öffentlich bekannten Argumente für das Festkleben an den Straßburger Sesseln sind lächerlich bis verlogen: „die einzige Frau“ (Brigitte Heinrich), „der einzige Agrar– Experte“ (Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf), „der Wegfall der Immunität“ (Michael Klöckner und Benny Härlin). Verlogen, weil jetzt plötzlich Kriterien aus der Schublade gezogen werden, die bisher - vor allem bei der Kandidatenaufstellung - keine Rolle spielten, obwohl sie natürlich bekannt waren. Vor allem aber lächerlich, weil jeder weiß, daß es nur um Eines geht: einen angenehmen Job zu behalten. Thomas Hartmann
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