Lambsdorff ist zu allem fähig

■ ...und irgendjemand muß schließlich Justizminister werden

Bonn (taz) - Das Multitalent Otto Graf Lambsdorff hat sich auf der politischen Bühne - ohne sie je wirklich verlassen zu haben - einen glänzenden Neuauftritt erspielt. Er stehe jetzt, verkündete er gestern Bonner Journalisten, seiner Partei wieder voll zur Verfügung. Daß er damit keine zeitliche Dimension meint, nicht auf seinen bisher zwei Tage in der Woche dauernden Teilzeitjob als Angeklagter anspielt, wissen ohnehin alle. Sein gekonnt unbescheiden–bescheiden vorgebrachter Verzicht auf eine „Bewerbung für ein Ministeramt“ unterstrich das nur. Der Graf wartet, alter Tradition entsprechend, daß er gerufen wird. Und er wird. Welche Partei könnte es sich angesichts des immer eigenwilligeren Wahlverhaltens des Souveräns schließlich leisten, auf die Stimmsegmente zu verzichten, die Lambsdorff kraft seiner neuen Erfahrungen garantiert erobern wird? Nachdem er als demokratisch bestätigter Spitzenpolitiker bereits vor langen Jahren alle Erst– und Zweitstimmen– Ressourcen erschöpft hatte, wird er jetzt zum großen Stimmensprung nach vorn ansetzen. Günstig wird sich ferner auswirken, daß der Edelmann seine Rolle als Angeklagter zu großartigen justizkritischen Einlagen genutzt hat: So kleinlaut war schon lange keine Staatsanwaltschaft mehr. Das begeistert auch ansonsten hartgesottene Wahlboykotteure. Und die Resozialisierung des Grafen wird vielen Menschen (mit Moneten) draußen im Lande ein echtes Anliegen sein. Drum raten wir dem Kabinett: Gebt uns unsern Lambsdorff wieder - einen erfahreneren Justizminister findet Ihr nie wieder. oto