Hessens Landtag völlig aufgelöst

■ Parteien steckten Wahlkampfterrain ab / Grüne für „Fortführung der ökologischen Reformpolitik“ / SPD–Spitzenkandidat Grollmann lobt „gute Arbeit“ der rot–grünen Koalition

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) -Der hessische Landtag hat sich gestern mit den Stimmen aller Parlamentsmitglieder selbst aufgelöst. Während SPD und Grüne in der letzten Debatte des 11. Hessischen Landtages die Erfolge der „sozialökologischen Koalition“ herausstrichen, malte der CDU–Fraktionsvorsitzende Gottfried Milde in einer „farblosen“ Rede die zurückliegende Legislaturperiode grau in grau. Unter anderem meinte Milde, daß der Wähler dem „Müllkutscher“ Joschka Fischer am 5. April hoffentlich den „Führerschein“ entziehen werde, damit Walter Wallmann wieder „Abfallwirtschaft statt Mülltourismus“ betreiben könne. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jochen Vielhauer (40) analysierte in seiner letzten Landtagsrede die Ursachen für den Bruch der rot–grünen Koalition. Neben der von Steger angekündigten befristeten ALKEM–Genehmigung als faktische Ursache sei der „große Irrtum der SPD“ bezüglich der Gewichtung dieser rot–grünen Koalition für deren Platzen verantwortlich. Die SPD habe die Koalition nicht als faires Bündnis unterschiedlicher Parteien verstanden. Vielmehr habe sie versucht, die Grünen wie Jusos in die Mutter partei einzubinden. Letztendlich habe die Unfähigkeit der SPD zu Kompromissen mit den Grünen den Bruch verursacht. Jedes Nachgeben gegenüber den Grünen sei zur „Indentitätsfrage“ für die SPD geworden. Der Bruch sei aber auch ein Symbol des Konflikts zwischen alter Machtloyalität der SPD gegenüber den Interessen der geballten Wirtschaftsmacht, die sich in der Atomwirtschaft wie kaum sonst darstellt, und den neuen sozialen Bewegungen, meinte Vielhauer weiter. Er plädierte für die „Fortführung der ökologischen Reformpolitik auf der Grundlage klarer Vereinbarungen zum Ausstieg aus der Atomenergie und dem Plutoniumstaat“ nach dem 5. April. Für die SPD führte der stellvertretende Ministerpräsident und neue Ministerpräsidentenkandidat Hans Krollmann aus, daß die Koalition „gute Arbeit“ geleistet habe. Trotz dem Gerede vom rot– grünen Chaos zahle Hessen noch immer beim Länderfinanzausgleich das meiste Geld in die Kasse: „Jeder dritte Polizist in Rheinland–Pfalz wird aus Hessen finanziert“, konstatierte er. Der Spitzenkandidat der SPD erklärte erneut, daß er nach dem 5. April das Gespräch „mit allen demokratischen Parteien“ suchen werde, falls die SPD „trotz aller Bemühungen“ die absolute Mehrheit verfehlen sollte.