EG: Keine Einigung im Becquerel–Poker

■ Brüsseler Verhandlungen über gemeinsame Strahlengrenzwerte vorerst gescheitert / Frankreich blockiert ständige Kontrolle und befürchtet Fixierung von Strahlenverordnungen auf längere Sicht / Bonn hofft doch noch auf Einigung bei weiteren Konsultationen

Brüssel (taz/ap) - Am hartnäckigen Widerstand von Frankreich sind am Montag die Verhandlungen der EG–Außenminister über die Grenzwerte für die Ein– und Ausfuhr radioaktiv verseuchter Lebensmittel gescheitert. Die Außenminister beauftragten daraufhin ihre unteren Chargen (ständige Vertreter), die Verhandlungen fortzuführen. Die bisherige EG–weite Regelung, die 370 Becquerel für Milch und Säuglingsnahrung und 600 Becquerel für die übrigen Nahrungsmittel als Grenzwert vorsieht, läuft am 28. Februar aus. Frankreich zweifelt die wissenschaftlichen Grundlagen für die geltenden EG–Grenzwerte an und fordert „realistischere“ (la schere) Werte. Außerdem wehrte es sich gegen eine von Dänemark und der BRD geforderte ständige Überwachung der Radioaktivitätswerte von EG–Lebensmitteln. Nach Ansicht des französischen Außenministers solle die Überwachung auf „Störfälle“ beschränkt bleiben. Hinter dieser Haltung steht, wie politische Beobachter vermuten, die „Atommacht“ Frankreich mit ihren 49 laufenden Atomkraftwerken. Frankreich ist in der Handhabung von Emissions– und Grenzwerten seit langem weit großzügiger als die übrigen EG– Länder. Zudem wird offenbar eine Präjudizierung für die EG– Langzeitverordnung in Sachen Strahlenschutz befürchtet, die derzeit vorbereitet wird. Deshalb pocht man schon jetzt auf großzügige Regelungen. Der Sprecher von Bundesumweltminister Wallmann, Diehl, zeigte sich gestern gegenüber der taz optimistisch, daß bis Ende Februar doch noch einheitliche EG– Grenzwerte festgelegt werden. Andernfalls werde die Bundesrepublik „sehr schnell“ nationale Grenzwerte festlegen. Da dies allerdings auch die übrigen EG– Länder mit vermutlich unterschiedlichen Vorschriften tun werden, droht ein allgemeines „Chaos an den Grenzen der EG“, so der belgische Außenminister Tindemanns. In EG–Kreisen wird inzwischen ein Kompromiß erwartet, der darin liegen könnte, daß die Gültigkeit der jetzigen EG–Grenzwerte nicht um ein Jahr, sondern nur um einen oder mehrere Monate verlängert wird. Dann soll „ergänzendes wissenschaftliches Material“ vorgelegt werden. -man– DAS KOMPROMISS Der Jüngling Berthold Kümmernis Saß gott– und welt– und menschenfremd Im schwarzen Anarchistenhemd, Ihm vis–a–vis saß fett und feist das Kompromiß. Der Jüngling stöhnte manches Nein, Das Kompromiß kreuzte die Beine, Zischte nur lächelnd: Alle sind Schweine. Er sträubte sich lange - dann schlug er ein. Er kaufte sich einen neuen Hut Und mästete sich einen dicken Schmer. Das Autofahren gefiel ihm gut. Er grüßte die alten Bekannten nicht mehr.