Radioaktiver Tee

Bochum (taz) - Im allgemeinen Molke–Delirium wird schnell vergessen, daß andere Lebensmittel zum Teil noch höher belastet sind. Seit Mitte Dezember lagerten im rheinischen Frechen 90 Tonnen hoch radioaktiv verseuchten türkischen Tees bei der Importfirma AM Pan–Atlantic. Nach langem hin und her wurde Anfang Februar damit begonnen, den Tee wieder zurückzugeschicken. Nach einem Hinweis des nordrhein–westfälischen Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Raumordnung, daß radioaktiv verseuchte türkische Haselnüsse bei verschiedenen Händlern der BRD aufgetaucht seien, veranlaßte die Importfirma AM Pan–Atlantic nach Auskunft ihres Geschäftsführers Walter Schmidt Radioaktivitäts–Messungen, denn „unser Tee kommt aus der gleichen Gegend wie die Haselnüsse“. Kurz darauf wurde auch das Gesundheitsamt des Erftkreises aktiv. „Wir stellten fest“, so der zuständige Dezernent Schulz, „daß wir einen Großimporteur für Tee hier im Kreis haben.“ Die von den Behörden mit der Untersuchung des Teelagers beauftragte Zentralstelle für Sicherheitstechnik aus Düsseldorf fand heraus, daß bis auf 14 Tonnen der gesamte Bestand belastet ist. Nach Angaben des Oberkreisdirektors Dr. Helmut Bentz handelt es sich um 20.000 bq pro Kilo. Bei diesem hohen Verseuchungsgrad schien die unschädliche Beseitigung problematisch, auch wenn nach Ansicht von Dezernent Schulz „keine Gefährdung von dem gelagerten Tee ausgeht, es sei denn, man trinkt ihn“. Die Kreisbehörden forderten die Importfirma daraufhin auf, den Tee, der teilweise schon in den Handel gelangt war, zurückzurufen und wieder in die Türkei zu schicken. Nach Auffassung eines Sprechers der Grünen im Kreistag, Rainer Berger, wurde damit „vagabundierender radioaktiver Müll“ geschaffen. Schließlich sei nicht sicherzustellen, daß der Tee mit anderen verschnitten und wieder exportiert oder verseucht an die heimische Bevölkerung verkauft wird. Im Erftkreis wurde die Tee–Geschichte zum Kommunaldebakel. Den Umweltausschußvorsitzenden Engelskirchen (CDU) störte das Problem so wenig, daß er die von den Grünen dringend erwartete Sitzung des Ausschusses kurzerhand mit der Begründung absagte, daß „zur Zeit keine wichtigen Beschlüsse anliegen“. Inzwischen begann die Fa. Pan– Atlantic mit der Rücksendung des Tees, die in diesen Tagen beendet sein wird. Entgegen den rechtlichen Bestimmungen fuhren die LKWs ohne sichtbare Radioaktivitätsbezeichnung in die Türkei, doch trug das Personal von Pan– Atlantic sicherheitshalber Strahlendosimeter auf der Brust. Was mit dem verseuchten Tee in der Türkei geschieht, kümmert die westdeutschen Behörden so wenig wie es sie in allen anderen Fällen gekümmert hat, in denen verseuchte Lebensmittel ins Ausland abgeschoben wurden. Auf den Philippinen haben, wie Third World Network Feature (Penang) berichtet, Untersuchungen aufgedeckt, daß die Radioaktivität mehrerer Milchpulversendungen aus Holland, England und Irland weit über den Werten lagen, die von den zuständigen Behörden der Exportländer in „Sicherheitszertifikaten“ angegeben worden waren. Die Regierung in Singapur hat bis Ende Oktober vergangenen Jahres 240 Schiffssendungen radioaktiv kontaminierter Nahrungsmittel aus Belgien, Holland, Dänemark, Irland, Frankreich, England, Tschechoslowakei, Italien und der Schweiz zurückgeschickt. Malaysia ließ 45.000 Kilogramm Butterfett aus Holland, Butterrahm aus England und Gemüse aus Italien zurückgehen. Als Folge verhängte die malaysische Regierung eine Importkontrolle für 13 verschiedene Nahrungsmittel aus allen europäischen Ländern. Sri Lanka erließ ein Verkaufsverbot für Marmelade aus Polen und Pflaumen aus Bulgarien. Corinna Kawaters/epd