Lebenszweck ist Borstenvieh und Schweinespeck

■ Zumindest für die deutschen Schweinezüchter und Mäster / Überproduktionen aus den Niederlanden drücken auf die Abnehmerpreise / Gülleaufkommen begrenzt / Neue Bodenschutzverordnung in Holland / Wer nicht genug Ferkel wirft, kommt auf den Schlachthof / Astronautennahrung für Schweine

Von Corinna Kawaters

„Fällt der EG nicht bald was ein, holt die Bank das letzte Schwein“, hieß eine der Parolen, mit der am vergangenen Dienstag in Wesel, Viersen, Kleve und Goch rund 10.000 Bauern mit Traktoren und Transparenten gegen die Agrarpreispolitik der EG demonstrierten. Schon im Januar hatten niederrheinische Schweinezüchter an den Grenzübergängen nach Holland mit Traktorblockaden gegen die Schweineimporte aus dem Nachbarland demonstriert. Bei jährlich 25.000 Bauernpleiten in der BRD und der Beobachtung einer Schweinefleischüberproduktion von 135 Borstenviehzüchter und -mäster mit der Angst vor dem „holländischen Industrieschwein“ zu tun. In der Tat sind die meisten Schweinehaltungsbetriebe in den Niederlanden hochspezialisiert. Während sich der Schweinebestand von 26 Millionen Tieren in der BRD so verteilt, daß im Durchschnitt 60 Tiere in den Ställen stehen, kommen die 13 Millionen holländischer Schweine aus erheblich weniger Einzelbetrieben und stellen eine Durchschnittspopulation von 350 Stück pro Stall. Etwa 5.000 Bauern betreiben in Holland ausschließlich Schweinemast oder -zucht in durchrationalisierten Betrieben, die mit klassischem Bauernhof kaum mehr etwas zu tun haben. „Mit dieser Industrialisierung haben wir den Landwirt von der Mistgabel befreit“, rühmt sich denn auch ein Schweine–Fachmann in einer niederländischen Landwirtschaftsberatungsstelle. Massentierhaltung? Tierquälerei? Nein, auch das holländische Mastschwein profitiert nach Ansicht des Experten davon. Es steht durchschnittlich mit neun anderen in einer sogenannten „Schweinebucht“, im vollklimatisierten, computergesteuerten Stall, kann fressen und koten soviel es will, bis es mit ca. 100 bis 106 Kilo Körpergewicht zum Schlachthof transportiert wird. Und zwar, ohne mit Beruhigungsmitteln oder Hormonen behandelt worden zu sein, wie der Niederländer sogar schwört: „Mein Gott, das können wir uns gar nicht leisten! Wir wollen das Fleisch doch exportieren und wenn beispielsweise die Ita liener was von Hormonen hören, sind die gleich um ihre Männlichkeit besorgt.“ Die Intensivhaltung danken die Viecher ihren Mästern offenbar mit einer gesteigerten Fruchtbarkeit. Denn während eine Sau in der BRD durchschnittlich 16 Ferkel wirft, kriegen die niederländischen zwei Ferkel mehr, nicht etwa, weil sie so glücklich sind, sondern weil der Computer alle die auf den Schlachthof schickt, die das Soll nicht erfüllen. Umstritten bei deutschen Bauern ist das Futter der Mastschweine bei den Nachbarn. Das Durchschnittsschwein frißt dort in seinem kurzen Leben nämlich 256 kg eines Futtermix, das hierzulande als „Zeug“ bezeichnet wird, wie der niederländische Experte zugibt. Dieses Produkt besteht zu 35 Maniokwurzel, die z.B. in Indien und Thailand angebaut wird und nach den Niederlanden transportiert wird. Die Diskussion innerhalb der EG über die Möglichkeit, Getreideüberschüsse, die z.B. in Frankreich produziert werden, an die EG–Viehmäster weiterzugeben, wird in den Niederlanden vehement verurteilt - Tapioka aus der Dritten Welt ist einfach billiger. Die traditionsreiche kaufmännische Erfahrung tut den Rest, um den Holländern immer wieder Wettbewerbsvorteile zu sichern. So erzählt Mijnheer X denn auch schmunzelnd von der Begebenheit an der spanischen Grenze: „Da stehen zwei Lkws, ein deutscher und ein holländischer und wollen Schweinehälften in das frisch in die EG eingetretene Spanien einführen. Doch der spanische Grenzer verlangt Formulare mit spanischem Text. Während die Deutschen noch fluchen, dürfen die Holländer passieren - sie hatten sie schon.“ Seit dem 1. Januar 1987 sind jedoch auch der niederländischen Vieh–Expansion Grenzen gesetzt, Gülle–Grenzen sozusagen. Anläßlich der drohenden Bodenverseuchung durch den Mist, den die Millionen Viecher ausscheiden, trat vom 31.12.1986 an ein Bodenschutzgesetz in Kraft. Es beinhaltet Neugründungs– und Aufstockungsbeschränkungen für Viehmästereien. Die bereits bestehenden Betriebe müssen ein ihrer Größe entsprechendes Gelände nachweisen, auf dem sie die Gülle ablassen. So muß ein Bauer für sechs Sauen einschließlich Ferkel 25 ha Land nachweisen. Aber daß das nicht heißt, daß der Mist dort auch gleichmäßig verteilt wird, wissen die Experten der Landwirtschaftsberatung und haben eine nationale Mistbank gegründet. Gülle aus den Regionen mit vielen Mastbetrieben soll in Regionen transportiert werden, wo Mist gebraucht wird. Auch an den Export denken die findigen Kaufleute und haben dabei die mageren Böden der Eifel im Sinn. Seit einigen Jahren schon wird die Gülle aus der Region Limburg mit drei Tankschiffen über die Maas und Nebenkanäle in die landwirtschaftliche Region an der Künte transportiert, doch auch diese Maßnahme reicht nicht aus. Derzeit gehen die niederländischen Experten der Frage nach, ob „man in die Schweine tatsächlich soviel Phosphat hineinstopfen muß, wie hinten rauskommt“. Eine Art Astronautennahrung für umweltfreundlichere Schweine ist im Gespräch.