In Italiens Regierungskoalition kracht es

■ Italiens sozialistischer Regierungschef Bettino Craxi will nichts mehr von einer verabredeten Amtsübergabe an einen Christdemokraten wissen / „Staffetta“–Versprechen sei eine „reine Erfindung“ / Vorzeitige Neuwahlen gelten in Italien als wahrscheinlich

Aus Rom Werner Raith

Daß die Italiener eine sportbegeisterte Nation sind, weiß man seit langem: neuerdings haben sie eine neue Disziplin dazugekriegt, nicht weniger spannend als Fußball oder Pferderennen. „Staffetta“ heißt der neue Sport. Ausgetragen wird er zwischen seinen Erfindern, dem sozialistischen Ministerpräsidenten Bettino Craxi, seit 1983 im Amt, und seinem christdemokratischen Mehrheitskoalitionär Ciriaco De Mita. Als Craxi voriges Jahr sein zweites Kabinett zusammenbastelte, traten die Christdemokraten erst wieder in die Regierung ein, als De Mita seinem Parteivolk verkünden konnte, daß Anfang April der machtbewußte Sozialist aus dem Amt des Ministerpräsidenten ausscheiden und ein Christdemokrat seine Stelle einnehmen würde - womit denn eben jene „Staffette“ geboren war. Doch die für Anfang April fest einprogrammierte Stabübergabe ist wohl doch nur ein Aprilscherz. In einer Talkshow namens „Mixer“ ließ sich Craxi das Stichwort „Staffette“ geben und kommentierte: „Eine reine Erfindung“. Die Christdemokraten, nun herausgefordert, schreien seither nach „Klärung“, lesen in den Reden und Verlautbarungen ihres und des Sozialistenchefs vom Vorjahr nach - und sieh da, der linke Fuchs hatte tatsächlich nicht ein einziges Mal öffentlich seinen Rücktritt versprochen. Lediglich daß er sich nach dem Parteitag Ende März „wieder ganz dem Parteivorsitz widmen“ werde, hatte er gesagt. De Mita hatte das als „Staffetten“–Versprechen gewertet, wohl ohne zu bedenken, daß der kraftstrotzende Craxi mit der linken Hand die Partei und mit der rechten die Regierung führen zu können glaubt. Die Möglichkeit eines Koalitionsbruchs mit nachfolgenden Neuwahlen rückt daher näher, was möglicherweise auch im Sinne des nach außenhin geleimten De Mita ist. Denn auch er hat die „Staffette“ längst als Bumerang erkannt: Für den Fall einer Regierungsübergabe hat Craxi bereits wissen lassen, daß kein einziger Sozialist von Rang Minister werden würde, was den neuen Regierungschef vollkommen deskreditieren müßte. De Mita andererseits ist sich klar, daß ein Jahr vor Ablauf der regulären Legislaturperiode kaum mehr eine Profilierung von Christdemokraten möglich ist. Craxi zeigte sich vor dem Parlament in Rom entschlossen, sein Amt zu behalten Die KPI kündigte an, sie werde eine Vertrauensabstimmung erzwingen. Sie werden sich also wohl darauf einigen, daß sie bei der „Staffette“ einfach den Stab verlieren. Die Wetten stehen derzeit jedenfalls 9:1 für Neuwahlen.