Mahatma Gandhi als Kronzeuge gegen Blockierer

■ Das Amtsgericht Gmünd verurteilt die Familie Vack wegen der Mutlanger Blockaden / Richter Offenloch bezeichnet jüngste Freisprüche als „betrüblich und bedauerlich“ / Weder „Versammlungsfreiheit“ noch „zu rechtfertigender Notstand“ als Handlungsgrundlage anerkannt

Von Werner Jany

Schwäbisch Gmünd (taz) -20 Tagessätze für Erstblockierer, 30 Tagessätze für mehrere Blockaden: das ist das Ergebnis des Prozesses am Amtsgericht Schwäbisch Gmünd gegen die Familie Vack wegen der Blockade eines Pershing–Transporters im Mai 1986. Vier Verhandlungstage hat der Prozeß des Richters Offenloch beansprucht. In diesem bisher längsten Verfahren mußten sich der Sekretär des Komitees für Grundrechte und Demokratie, Klaus Vack, seine Töchter Aicha und Sonja, sowie Ingmar Reichert verantworten. Nach der langen Prozeßdauer durfte man gespannt sein, ob nach dem Richter Wolfgang Krummhard noch ein weite rer Amtsrichter aus der Verurteilungspraxis des Gmünder Gerichts ausscheren würde. In seiner eineinhalbstündigen Urteilsbegründung machte Richter Offenloch diese Hoffnungen jedoch schnell zunichte. Er nahm sich zwar Zeit, seine Verurteilungsgründe ausführlich darzulegen. An seiner Rechtsauffassung hatte sich aber trotz der hochkarätigen Verteidigung der Angeklagten, die mit den Professoren Küchenhoff und Grünwald, sowie dem Münchner Rechtsanwalt Niepel juristische Größen aufgefahren hatten, nichts. Ausführlich dozierte Offenloch zu dem Paragraph 240 Absatz 1, in dem als Voraussetzung für eine Nötigung die Gewaltanwendung festgeschrieben ist. Dabei scheute der Richter davor nicht zurück, Mahatma Ghandi für sich in Anspruch zu nehmen, der in einem Leserbrief Sitzstreiks als Zwangsmaßnahme und gewalttätig bezeichnet habe. Um so kürzer ging Offenloch aber auf das zweite Tatbestandsmerkmal, die Verwerflichkeit, ein. Diese leitete er aus der Rechtswidrigkeit von Blockaden ab. „Verwerflichkeit ist auch dann gegeben, wenn die Tat rechtlich zu mißbilligen ist“. Zweck der Blockaden, laut Offenloch, ist das Anhalten der Fahrzeuge. Zwar mußte der Richter eingestehen, daß Kollegen von ihm auch die politische Motivation der Blockierer miteinbeziehen, diese Rechtsauffassung bezeichnete Offenloch aber ausdrücklich als falsch. Wie er es sich dann auch nicht verkneifen konnte, die in letzter Zeit immer häufiger erfolgten Freisprüche als „betrüblich“ und „bedauerlich“ abzuqualifizieren. Auf eine einfache Gleichung gebracht lautete sein Tenor: rechtswidrig gleich verwerflich. Die Rechtswidrigkeit des Tuns leitete er daraus ab, daß die Angeklagten weder die Versammlungsfreiheit noch einen „rechtfertigenden Notstand“ für ihr Handeln zur Grundlage nehmen konnten. Die Versammlungsfreiheit decke nicht Gewaltanwendung, welche gewaltlose Sitzstreiks nach Offenlochs Meinung darstellen. Ebenso wenig könne der „rechtfertigende Notstand“ angeführt werden, da die Nachrüstung nicht rechtswidrig sei. Diese Verstoße weder gegen das Völkerrecht, noch gegen das Grundgesetzgebot der Friedensstaatlichkeit.