AKW–Betreiber prozessieren

■ Mitarbeiter des Freiburger Öko–Instituts steht in Augsburg vor Gericht, weil er auf einer Tschernobyl–Demonstration sagte: „Die Atomkraft–Betreiber sind die wahren Terroristen“

Augsburg (taz) - „Was verstehen Sie unter Terroristen“, wollte Richter Herb vom Amtsgericht in Augsburg von dem Angeklagten Stephan Kohler wissen. Der Mitarbeiter des Freiburger Ökoinstituts stand gestern vor Gericht, weil sich die bayerischen „Atomkraftsbetreiber“, Bayernwerke, Isar Amperwerke sowie die zuständigen Herren des AKW Grafenrheinfeld von ihm beleidigt fühlten. 1.200 Mark sollte er für seine Äußerung auf einer der größten Demonstrationen in Augsburg mit 10.000 Teilnehmern kurz nach Tschernobyl bezahlen. Das umstrittene Zitat lautet: „Die Atomkraftbefürworter sind die wahren Terroristen im Lande.“ Ins Rollen brachte das Verfahren der ehemalige Hauptmann Franz Plaschke. In einem Brief forderte er Kohler auf, diese Behauptung zurückzunehmen, anderenfalls werde er Anzeige wegen Beleidigung erstatten. Kohler sah keinen Anlaß, sich von seiner Rede zu distanzie ren und schrieb zurück: „Die Atomkraftbetreiber sind die wahren Terroristen.“ Obwohl die Beleidigungsklage von der Staatsanwaltschaft bereits auf den Privatklageweg verwiesen war, wurde plötzlich ein Strafbefehl ausgestellt. Vor dem Amtsgericht soll nun geklärt werden, ob Kohler von AKW–Betreibern oder -Befürwortern sprach. „Terrorismus ist für mich ein Handeln, das die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt; daß das nach Tschernobyl so war, brauche ich wohl nicht zu sagen“, betonte Stephan Kohler. Das Gericht beauftragte die Staatsanwaltschaft, weitere Zeugen aus Polizeikreisen und Teilnehmern zu ermitteln und unterbrach die Verhandlung. „Wir können hier ähnlich lange prozessieren, wie Plutonium strahlt“, meinte Rechtsanwalt Gildemeier daraufhin ironisch. Seiner Ansicht nach wird damit der Versuch unternommen, seinen Mandanten zumindest über die Prozeßkosten empfindlich zu strafen. „5.000 Zuschauer werden wir benennen, bis es einen Freispruch gibt“, versicherte er dem Staatsanwalt. lui