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I N T E R V I E W Der Krieg in den Köpfen

■ Auszug aus einem Gespräch über Watkins Pläne zu „The Journey“, erschienen in der taz am 5. und 8.5.84 anläßlich der Vorbereitungen zu dem Film

taz: Macht und die zugespitzte Form von Macht, der Krieg, hat für dich auch etwas mit deinem Beruf - Filmemacher in der Filmwirtschaft und im Fernsehen, also dem, was gemeinhin „Frieden“ genannt wird - zu tun. Sicher wirst du nach dem bisher Geäußerten die Vorbereitung eines Dritten Weltkrieges auch über die Köpfe und Augen beschreiben. Wie schlägt sich das in deinem neuen Film nieder? Peter Watkins: Für mich ist es gerade in diesem Film enorm wichtig, die Aufmerksamkeit auch auf das Medienphänomen zu lenken. Hattet ihr während eurer Friedensaktionen nicht einmal eine Aktion gegen den Springer–Konzern mit der Begründung: „Der Krieg wird auch in den Köpfen vorbereitet“? Das wird er in der Tat, und das möchte ich zeigen. Natürlich diskutiere ich darüber auch mit den Unterstützergruppen - mein neuer Film soll eben einen Dialog über die wesentliche Rolle der Medien provozieren. Die Zuschauer sollen sehen, was mit ihnen gemacht wird, wie sie vergiftet werden, aber auch, was ich mit ihnen mache. Ich werde einige der grundsätzlichen Mittel des Kinos selbst nehmen: den Akt eines Schnittes, den Akt der Entscheidung, wohin ich die Kamera stelle. Ich werde die Darsteller und damit die Zuschauer selber befragen, ich werde versuchen zu entwickeln, wie diese autoritären Erscheinungen oft konform gehen mit den autoritären Mechanismen unserer Gesellschaft und wie sich das in einer immer entdemokratisierten Gesellschaft zu Bildern in den Köpfen verdichtet, den Krieg zu verdrängen, zu verharmlosen und dadurch mit hinzunehmen. Weiter will ich damit zeigen, daß es sowas wie „Objektivität“ nicht gibt, daß gerade die scheinbar objektiven Bilder Propagandaraster sind, die der Entpolitisierung dienen. Gerade weil ich zeige, daß auch mein „Nuclear War Film“ (ursprünglich sollte „The Journey“ so heißen) manipulativ ist, die Manipulation diskutiere und hinterfrage, wirke ich der Konformität der Medien etwas entgegen. Man muß dort anfangen, wo die Leute gerade sitzen -, und diesmal kann kein Kritiker an der Frage der Filmform vorbei. Und die Schauspieler? Ich werde wiederum mit Laiendarstellern arbeiten, hauptsächlich mit Familien. Ich werde meine Darsteller auffordern, Stellung zu nehmen, sich selbst zu identifizieren - danach wird der Film visuell gestaltet. Auch die Diskussion dieser Gestaltung soll ein Identifikationsmoment werden. Das Gespräch führte Tom Jansen

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