Für Schlüpfriges hat der Islam kein Verständnis

■ Eine anzügliche Satire auf den Ayatollah gab damals den Startschuß zur islamischen Revolution in Iran / Khomeini als Killer und Blutsauger darzustellen, ist dagegen nicht lebensgefährlich

Berlin (taz) - Hätte Rudi Carell nur gewußt, daß die sexuellen Anzüglichkeiten Ayatollah Khomeini gegenüber einst den Startschuß zur islamischen Revolution gaben, wäre er vielleicht mit seinen Spitzen am vergangenen Sonntag behutsamer gewesen: Im Oktober 1978 erschien auf Betreiben des Verlages in der Teheraner Zeitung Etelaat ein Leserbrief, in dem der Oppositionsführer Khomeini als „indischer Dichter mit päderastischen Neigungen“ bezeichnet wurde. Das ausgesprochen dümmliche Pamphlet schlug in dem Kaiserreich wie eine Bombe ein. Angeführt von Chalchali, dem späteren „Blutrichter“, gingen in Ghom, der schiitischen Hochburg, tausende von Theologiestudenten auf die Straße und skandierten ihren Ruf: „Es lebe Chomeini, Tod dem Schah, Tod dem Schah.“ Was danach kam, ist Weltgeschichte und kennt jeder. Den Großayatollah, das religiöse Vorbild der Millionen Schiiten, der Päderastie zu bezichtigen, war für die frommen Gemüter ein unverzeihlicher Frevel, der nur noch mit Blut gesühnt werden konnte. Gewiß wollte Rudi Carell den Ayatollah nicht beleidigen. Sein Job ist bekanntlich, bei einem Publikum von mäßigem Geschmack Lacher zu erzielen, und nicht die Politik. Doch für derartige Späße - seien es plumper Klamauk oder intelligente Satire - haben die schiitischen Machthaber in Teheran kein Verständnis, besonders wenn sie die von ihnen vertretene Sexualmoral aufs Korn nehmen. Hätte man Khomeini als Drachen, Blutsauger, Henker, ja sogar als Teufel dargestellt, wie es bisweilen in der westeuropäischen Presse geschieht, wäre Teheran halb so empfindlich gewesen. Daß man aber Khomeini als Empfänger diverser schwarzer Schlüpfer vorführt, ist in ihren Augen ein „schlüpfriger“ Angriff auf den Stellvertreter des verborgenen Imam, das Vorbild aller Sittlichkeiten des religiösen Hauptes der schiitischen Welt, ja als ein Angriff auf den Islam und Allah selbst, als Vollstrecker dessen Gesetz Khomeini sich versteht. Die Autorität der orientalischen Potentaten - weltlicher oder religiöser - liegt in Furcht und Respekt, die sie dem Volke einflößen. Ihre Autorität in Frage zu stellen ist lebensgefährlich. Die islamische Geschichte ist reich an diesbezüglichen Beispielen. Bereits zur Zeit des Propheten wurde ein Mann namens Al–Hakekam, der Mohammed offensichtlich verspottete, nicht nur aus dem Lande verbannt, sondern von Allah mit einer lebenslangen Krankheit gestraft: Gliederzittern. Auch die zeitgenössischen Spaßmacher bekamen am eigenen Leib zu spüren, daß Allah, der Barmherzige, mit Satirikern oder Spöttern kein Erbarmen hat: Nach dem Sieg der islamischen Revolution wurden als erstes die satirischen Zeitschriften verboten und ihre Autoren in Kerker gesteckt. So darf man sich hierzulande über die Überempfindlichkeit Teherans nicht wundern. Daß auch der schlechte Geschmack im westeuropäischen Fernsehen demokratische Freiheiten genießt, sofern die Einschaltquoten stimmen, wissen auch die Mullah in Teheran. Daß man aber vor Millionen Zuschauern - Satire hin, Satire her - den Imam zeigt, wie er seine Hände nach Dessous seiner Anhängerinnen ausstreckt, wird als eine schwere Beleidigung religiöser Gefühle, als ein Schlag unter die Gürtellinie betrachtet, den man nicht widerspruchslos durchgehen lassen kann. Auf Kosten des Ayatollah zu lachen, soll nun die Deutschen etwas kosten. Hinter der frommen Empörung steckt natürlich auch ein handfestes politisches Interesse. Daß die Bundesrepublik ein für Iran mit Raketen vollbeladenes Schiff zurückgeordert hat, kann Teheran Bonn nicht verzeihen. Die breit angelegte Kampagne soll die Deutschen zum Einlenken bewegen, zumal das Leben zweier deutscher Geisel in Händen libanesischer Anhänger Ayatollahs liegt. Ahmed Taheri