Ein Unternehmertraum

■ Arbeitgeberverband Gesamtmetall legt Tarifvertragsentwurf zur schrankenlosen Flexibilisierung vor / IG Metall: „Eine Verschärfung des Tarifkonflikts“

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Die Arbeitgeber steuern „rücksichtslos auf einen Streik zu“. Mit dieser Erklärung reagierte die Industriegewerkschaft Metall auf den Entwurf eines Tarifvertrages, den die Metall–Arbeitgeber am Donnerstag in den Tarifverhandlungen zur Arbeitszeit in den Tarifbezirken Nordwürttemberg/Nordbaden und Hessen vorgelegt haben. Mit ihren Vorstellungen über eine zukünftige Arbeitszeitregelung hätten die Arbeitgeber eine „deutliche Verschärfung des Tarifkonflikts“ bewirkt, erklärte das für Tarifpolitik zuständige IGM– Vorstandsmitglied Klaus Zwickel am Freitag in Frankfurt. Die Vorstellungen der Unternehmer ließen den Zehn–Stunden–Tag und die 50–Stunden–Woche als normale Arbeitszeit zu und beabsichtigten, den tariflichen Schutz der Arbeitnehmer zu beseitigen und sie ganz den jeweiligen Bedürfnissen der Betriebe unterzuordnen. In ihrem am Donnerstag vorgelegten Tarifvertragsentwurf hat der Verband der Metallindustrie Baden–Württemberg, sicherlich stellvertretend für die anderen regionalen Gliederungen des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, eine praktisch unbegrenzte Flexibilisierung der Arbeitszeiten im Betriebsinteresse gefordert. Der Acht–Stunden–Tag wäre als Höchstnorm für die Normalarbeitszeit ebenso aufgehoben wie die 40–Stunden–Woche. Das freie Wochenende am Samstag und Sonntag würde als „sozialer Besitzstand“ der Arbeitnehmer aufgehoben. Die Arbeitnehmer wären verpflichtet, sich in ihrer persönlichen Zeitdisponierung vollständig den saisonalen Produktionsschwankungen des Unternehmens zu unterwerfen. Im einzelnen sieht der Vertragsentwurf vor, daß die Nor malarbeitszeit bis auf zehn Stunden täglich und in bestimmten Fällen bis auf 46,5 Stunden wöchentlich ausgedehnt werden kann, also die bisher gezahlten Mehrarbeitszuschläge (ab der neunten Stunde täglich, ab der 41. Stunde wöchentlich) weitgehend entfallen. Die individuelle wöchentliche Arbeitszeit soll für bestimmte Arbeitnehmergruppen oder gar für einzelne Arbeitnehmer „gleichmäßig oder ungleichmäßig auf alle oder einzelne Werktage von Montag bis Samstag auf mehrere Wochen oder mehrere Monate verteilt werden“ können. Die tarifliche Wochenarbeitszeit muß nach den Vorstellungen der Arbeitgeber „im Durchschnitt 12 Monaten“ eingehalten werden, kann also im Verlauf des Jahres nach den Bedürfnissen des Unternehmers an saisonale Schwankungen angepaßt werden. Neueinstellungen können so durch extensive Mehrarbeit verhindert werden. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Gleichzeitig wollen die Arbeitgeber nicht in eine weitere Wochenarbeitszeitverkürzung einwilligen, sondern die nach dem Arbeitskampf 1984 ausgehandelten 38,5 Stunden als Durchschnittsnorm weitergelten lassen. Die im 84er Kompromiß vorgesehene Differenzierungsmöglichkeit zwischen jenen Arbeitnehmergruppen, die weiterhin durchschnittlich 40 Stunden pro Woche arbeiten, und solchen mit 37 Stunden, soll beibehalten werden. Der „kontinuierliche Einsatz von Betriebsmitteln“, so der Arbeitgeberentwurf, müsse sichergestellt werden. Gemeinsame Pausen der Beschäftigten, oft die einzige Möglichkeit zur Kommunikation, sollen wegfallen. Bei der Regelung der Arbeitszeiten, heißt es in dem Vertragsentwurf, „ist auszugehen von den betrieblichen Erfordernissen“. Insbesondere sei das „Anpassungserfordernis an schwankende Kapazitätsauslastungen und die Sicherung der Betriebsnutzungszeit“ zu berücksichtigen. „In diesem Rahmen“, so heißt es in einem Nachsatz, seien auch die „persönlichen Belange und Bedürfnisse der einzelnen Arbeitnehmer“ zu berücksichtigen. Im übrigen sollen die Auszubildenden auch dieses Mal wieder von der Arbeitszeitverkürzung ausgenommen werden und - wie bisher - weiterhin 40 Stunden pro Woche arbeiten. Ein Sprecher der IG Metall meinte gestern, die Arbeitgeber wollten offensichtlich wieder „hinter 1918 zurück“. Damals ist der Acht–Stunden–Tag durchgesetzt worden.