„Apartheidähnliche Zustände“ in Kärnten?

■ Slowenisch– und deutschsprachige Schüler sollen in Kärnten nach dem Willen der Rechten dort getrennte Klassen besuchen / Eine weitere Belastung des bereits angespannten Verhältnisses zwischen deutschsprachiger Mehrheit und slowenischer Minderheit / Setzt sich die rechtsnationale FPÖ durch ?

Aus Wien Klaus Bachmann

„Keine Apartheid in Kärnten“, stand auf den Transparenten der 5.000 österreichischen Slowenen, Ungarn und Tschechen, die kürzlich in Wien demonstrierten. Anlaß für den ungewohnten Minderheitenprotest war der „Kärntner Schulstreit“. 17.000 Slovenen leben derzeit in Österreichs südlichem Bundesland Kärnten. Bislang gingen die slowenischsprachigen Kinder mit den Kindern der deutschsprachigen Mehrheit gemeinsam zur Schule. Der Unterricht war bis 1959 für alle zweisprachig, seitdem jedoch müssen sich die Kinder für den zweisprachigen Unterricht extra anmelden, Slowenisch ist keine Pflichtsprache mehr. Nach wie vor werden die Kinder jedoch in gemeinsamen Klassen unterrichtet, durch die eine imaginäre Sprachgrenze verläuft. Da nach diesem Modell auch die Lehrer zweisprachig sein müssen, sind in Kärnten die meisten Lehrer Slowenen. Diese Praxis hat den deutsch– nationalen „Kärntner Heimatdienst“ (KHD) auf den Plan gerufen. Mit der Losung „Deutsche Lehrer für deutsche Kinder“ lief er gegen die zweisprachigen Schulen Sturm. Tatkräftige Unterstützung fand er dabei in der national– liberalen Freiheitlichen Partei (FPÖ). Mit Zustimmung der beiden großen Parteien SPÖ und ÖVP wurde im Landtag eine Pädagogenkommission eingesetzt, die Lösungsvorschläge erarbeiten sollte. Wie so häufig in der österreichischen Proporzdemokratie wurde die Kommission auch diesmal im Verhältnis der im Landtag vertretenen Parteien beschickt. So waren über die FPÖ zwar der minderheitenfeindliche „KHD“ vertreten, nicht aber die Slowenen. Zahlreiche Dozenten der Klagenfurter Universität, Minderheitenfachleute und Pädagogikspezialisten sprachen in einem Appell der Kommission die Kompetenz ab: Statt anerkannte, unabhängige Fachleute zu nominieren, habe man „weisungsgebundene Beamte und parteipolitisch gebundene Funktionäre“ eingesetzt. Das Ergebnis war entsprechend. Nach der Rekord–Beratungszeit von 300 Minuten legte die Kommission im Sommer letzten Jahres einen Vorschlag vor, der deutlich vom „KHD“–Modell inspiriert ist. Sich abkapseln oder sich assimilieren ? Hatte der „KHD“ eine Trennung der Schulen gefordert, so schlägt die Kommission vor, die gemeinsame Schule zwar zu belassen, dafür aber die Schüler nach Klassen getrennt zu unterrichten, je nachdem, ob sie zum zweisprachigen Unterricht angemeldet sind oder nicht. In der Praxis bedeutet dies das Ende des gemeinsamen Unterrichts. Die slowenischen Kinder haben dann die Wahl, entweder in die slowenische oder in die deutsche Klasse zu gehen, entweder sich abzukapseln oder sich zu assimilieren. Zweisprachigkeit gibt es dann nur noch in musischen Fächern, im Sport und in den Pausen. Während die Parteien - mit Ausnahme der Grünen - das „Kärntner Pädagogenmodell“ bejubelten, sehen die Slowenen–Vertreter einen weiteren Schritt in Richtung Ghettoisierung. Für sie kehren damit in Kärnten „apartheidähnliche Zustände“ ein. Die Situation der slowenischen Minderheit wird damit noch prekärer, als sie ohnehin schon ist. Von allen nicht–deutschsprachigen Minderheiten Österreichs haben die Slowenen den stärksten Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen. Waren sie 1951 noch 42.000, so ging ihre Zahl bis 1981 auf 17.000 zurück. Wer in der Öffentlichkeit slowenisch spricht, etwa im überwiegend deutschsprachigen Klagenfurt, wird schnell als „Tschusche“ oder „Jugo“ beschimpft. Die Ursachen für dieses gespannte Verhältnis sind in der Geschichte zu suchen. Deutschnationale und Partisanen Als 1920 jugoslawische Truppenverbände versuchten, dem im Ersten Weltkrieg geschlagenen Österreich Südkärnten abzuringen, bildeten die Deutschkärntner Freiwilligenverbände und schlugen die Eindringlinge zurück. Ob wohl sich in der anschließend vom Völkerbund durchgeführten Abstimmung auch viele Slowenen für den Verbleib bei Österreich entschieden, stehen sie seither im Ruf, Landesverräter zu sein. Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurden viele Slowenen ermordet, deportiert und kamen in KZs um. Slowenische Partisanen kämpften auf jugoslawischer Seite gegen Wehrmacht und SS. Während heute die Kärntner Mitglieder der deutschnationalen FPÖ, der „Heimatdienst“ und Landespolitiker wie der SPÖ–Landeshauptmann Wagner mit Aufmärschen die Erinnerung an den Abwehrkampf von 1920 aufrechterhalten, stellen sich die Slowenen in die Tradition der antifaschistischen Partisanen und Widerstandskämpfer. So wird jede Gedenktafel zum Objekt erbitterter Auseinandersetzungen. In Gemeinderatssitzungen wird selbst um zweisprachige Aufschriften auf gemeindeeigenen Fahrzeugen gestritten. Der SPÖ–Bürgermeister von Eisenkappel weigerte sich, zwei Gemeinderäten in slowenischer Sprache den Amtseid abzunehmen. Und in den siebziger Jahren war es eine beliebte Beschäftigung des „KHD“, in Nacht– und Nebelaktionen zweisprachige Ortstafeln abzumontieren. Wie sich die neugebildete große Koalition in Wien zum Kärntner Schulstreit verhalten wird, ist noch unklar. Der ehemalige Unterrichtsminister Moritz, ein Gegner des neuen Modells, ist nicht mehr im Amt. Bundeskanzler Vranitzky, der vor den Wahlen noch erklärt hatte, es werde keine Änderung ohne die Zustimmung der Slowenen geben, äußerte vor kurzem im Gespräch mit dem für die Grünen in den Nationalrat eingezogenen Slowenen–Vertreter Karel Smolle nur, man werde in aller Ruhe eine Lösung suchen. Ursprünglich hätte das „Pädagogenmodell“ bereits im kommenden Schuljahr 1987/88 in die Praxis umgesetzt werden sollen. Die Entscheidung darüber muß jedoch zuvor mit Zweidrittelmehrheit vom Nationalrat gefällt werden. Bleibt abzuwarten, ob SPÖ und ÖVP das Modell anerkennen und damit die rechtsnationale FPÖ befriedigen.