: Geringe Chancen zur Währungsstabilisierung
■ Der Dollarkurs hat als Waffe der US–Außenwirtschaftspolitik Tradition / Sein ständiges Auf und Ab ist Zeichen der Klemme der USA, aus der sie durch weiteren Kursverfall oder Protektionismus zu entkommen versuchen werden / Welthandelsströme von 180 Milliarden Dollar müßten umgeleitet werden
Von Kurt Hübner
Eine neue Runde im internationalen Währungskrimi wurde am Wochenende in Paris bei der Konferenz der wichtigsten Industrieländer eingeläutet (taz v. gestern). Ob die Akteure den Schurken im Spiel diesmal zu fassen kriegen, darf aber mit Fug und Recht bezweifelt werden. Zwar scheinen alle wichtigen politischen Akteure versammelt zu sein, doch wird das Drehbuch auch noch von anderen mitgeschrieben: Von den vielen Tausend privaten ökonomischen Spielern rund um den Globus nämlich, die mit ihren Entscheidungen über die Entwicklung von Währungsparitäten und Zinssätzen mitbestimmen. Kann die „große“ Politik die Konstellationen des Marktes nach ihren Wünschen steuern? Auch darum geht es in diesem Stück, dessen vorläufig letzter Akt gerade betrachtet werden kann. Der Dollarkurs soll also wieder einmal stabilisiert und in einem „vernünftigen“ Rahmen gehalten werden. Was auf den ersten Blick wie ein politisch–technisches Problem aussehen mag, ist tatsächlich ein hochkarätiger Machtpoker, bei dem es um nicht weniger als die Verteilung der Weltmarktpositionen und Krisenlasten geht. Nicht nur, daß die Ansichten über den „angemessenen“ Kurs des Dollar zwischen den Beteiligten weit divergieren. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Imponderabilien, die jede politische Vereinbarung binnen kurzem wieder über den Haufen werfen können. Der Währungsclinch, so viel läßt sich aus den vergangenen Erfahrungen sagen, wird die Weltöffentlichkeit noch einige Zeit beschäftigen. Das internationale Gezerre um den Außenwert der US–Währung und die letztliche Rolle des Dollar in der Weltwirtschaft hat eine längere Geschichte. Entscheidende Daten waren die Jahre 1971 und 1973, als zunächst die Goldbindung des Dollar aufgehoben und dann das System fixer Wechselkurse aufgegeben wurde. Hinter diesen währungspolitischen Ereignissen verbirgt sich eine gewichtige Verschiebung des internationalen ökonomischen Kräfteverhältnisses: Im Jahr 1971 wiesen die USA zum ersten Mal in diesem Jahrhundert eine negative Handelsbilanz auf. Seit jenem Jahr ist die US–Handelsbilanz chronisch negativ - in den letzten Jahren mit steigender Tendenz, die alle Rekorde sprengt. Alle US– Regierungen haben sich seither mehr oder weniger trick– und erfolgreich bemüht, den internationalen Niedergang der Ökonomie aufzuhalten. Ein kurzer Blick zurück kann helfen, die heutigen Anstrengungen besser zu verstehen. „Tricky“ Nixon wertet ab Der erste Versuch, den Dollar als Waffe im internationalen Konkurrenzkampf einzusetzen, unternahm „Tricky“ Nixon. Seine harte Abwertungspolitik sollte die Exportchancen der US–amerikanischen Industrie zu Lasten der westeuropäischen und japanischen Unternehmen verbessern. Mit der bloßen Änderung der Währungsparitäten war der Vormarsch der Hauptkonkurrenten allerdings nicht zu bremsen. Dafür bereitete Nixon das ökonomische und politische Feld für einen neuen Akteur im internationalen Spiel: die OPEC. Auf den rapiden Einnahmerückgang des in Dollar berechneten Erdölhandels reagierten diese Länder mit einer kartellierten Angebotsverknappung, dessen Ergebnis eine beschleunigte Inflationierung der Weltwirtschaft war. Die kaufkräftigen Märkte der OPEC–Länder wurden zum großen Ärger der USA dann aber vor allem von den westeuropäischen und japanischen Unternehmen bedient. Die Abwertungspolitik machte sich nicht bezahlt. Der Erdnußfarmer Carter revidierte diesen wirtschaftspolitischen Kurs. Seine Politik zielte darauf ab, die internationale ökonomische Zusammenarbeit auszuweiten und die Lasten der Stabilisierung des Währungssystems, und damit auch der Leitwährung Dollar, nicht einseitig abzuwälzen, sondern gleichmäßig zu verteilen. Dieser kooperative Kurs stieß allerdings auf wenig Gegenliebe in den westlichen Hauptstädten: Die gewünschte erneute Dollar taumelte weiter auf einem äußerst niedrigen Kursniveau. Erst mit der Amtsübernahme Reagans änderte sich die Situation grundlegend. In bewährter Cowboy–Manier beschwor er die überragende Stärke der USA, die sich in einer ungefährdeten Führungsrolle in der Weltwirtschaft und einem hohen Dollarkurs niederschlagen sollte. Mit seinem gigantischen Rüstungsprogramm versetzte er der US–Ökonomie einen Wiederbelebungsstoß, der die Wachstumsraten der Produktion nach oben trieb. Da zur Finanzierung dieses Programms der interne Akkumulationsfonds nicht ausreichte, verfiel die Reagan– Administration auf die geradezu geniale Idee, mit der drastischen Erhöhung des Zinssatzes gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Der hohe interne Zins satz lockte riesige Mengen ausländischen Geldkapitals in das Land, das die wachsenden staatlichen Defizite finanzieren half. Dank der Kapitalimporte erlebte dann auch der Dollar sein Revival. Die Währungsparitäten bewegten sich wieder in die Nähe der fünfziger und sechziger Jahre. Katastrophale Dollarstärke Zwar wurden die USA auf diesem Wege mit Geldkapital versorgt, doch sollten sich die Auswirkungen auf den industriellen Sektor als katastrophal erweisen. Die Exporte der USA wurden durch den Dollarkursanstieg drastisch verteuert, während gleichzeitig die billiger gewordenen Importe das Land zu überschwemmen begannen. Allein zwischen 1984 und 1986 verbrauchten die USA im Wert von mehr als 400 Mrd. Dollar mehr ausländische Waren als sie im gleichen Zeitraum im Ausland absetzten konnten. Diese Bereicherung ließen sich die USA darüber hinaus vom Rest der Welt bezahlen, indem sie das Defizit ihrer Handelsbilanz mit steigenden Kapitalimporten finanzierten, die vom hohen US– Zinsniveau angelockt wurden. Wie ein riesiger Staubsauger schluckten sie die internationale Liquidität auf - ein Wachstumsmodell auf Pump in nahezu klassischem Zuschnitt. Mit wachsendem Handelsbilanzdefizit erwies sich der hohe Dollarkurs als immer weniger realistisch. Erste Spekulationswellen gegen die US–Währung setzten ein. Um eine unsanfte Landung auf den internationalen Devisenmärkten zu verhindern, begann die Regierung Reagan seit Sommer 1985, ihre Politik um 180 Grad zu drehen: Der Dollarkurs wurde mit allen Mitteln nach unten gedrückt. Dies schien ihnen der einzige Weg, die marode und immer weniger konkurrenzfähige US–Industrie auf Vordermann zu bringen und das Handelsbilanzdefizit abzubauen. Eine ähnliche Konferenz wie jetzt am Wochenende fand seinerzeit im New Yorker „Plaza“–Hotel statt - mit dem Ziel, den Dollarkurs sanft abzusenken. Mit der typischen Weltmachtarroganz setzte Reagan indes eine Abwertungsspirale in Gang, die den westeuropäischen und japanischen Konkurrenten Angst und Schrecken brachte. Jede weitere Abwertung des US– Dollar versetzt der sich abschwächenden Konjunktur dieser Länder wegen der geringeren Exportchancen einen weiteren Stoß, der in einer Krise enden muß. Minimalvorstellung dieser Gruppe ist es deshalb, die heutigen Paritäten wenigstens zu stabilisieren. Aber wie erfolgreich können Abmachungen sein, diese Paritäten auch durch Devisenmarktinterventionen der Notenbanken festzuschreiben? Die Erfolgschancen sind denkbar gering. Ein Licht auf die Instabilitäten wirft die jetzige Entscheidung der brasilianischen (und in Kürze vielleicht auch der argentinischen) Regierung, die Zinszahlungen auf ihre ausländischen Kredite für mindestens 90 Tage auszusetzen. Von diesem Zahlungsstopp sind vor allem US– amerikanische Banken betroffen. Sollte Brasilien seinen Zinsstopp über die Frist hinaus verlängern, wie Präsident Sarney am Wochenende andeutete, dann müßten die US–Banken ihre Brasilienkredite in kürzester Frist abschreiben. Da die Eigenkapitaldecke dazu aber nicht ausreicht, wäre ein Konkurs auch großer Banken unvermeidbar, wenn nicht die Zentralbank Federal Reserve helfend eingreift. Der weltweite Rückgang der Börsennotierungen der Banken seit vergangenen Freitag ist dafür ein erstes Indiz. Der Run aus dem Dollar wäre dann aber so sicher wie das Amen in der Kirche - und auch ein neuer schwarzer Freitag nicht länger auszuschließen. Und noch eine weitere Konstellation spricht gegen die Stabilität politischer Vereinbarungen. Damit die USA die Zinszahlungen auf ihre ausländischen Kredite bezahlen können, ist es notwendig, das Handelsbilanzdefizit von durchschnittlich etwa 120 Mrd. Dollar der letzten Jahre in einen Überschuß von etwa 40–50 Mrd. Dollar in den nächsten Jahren überzuführen. Daß die Umlenkung von Welthandelsströmen in der Größenordnung von 170 bis 180 Mrd. Dollar bei der gegenwärtigen Dollarparität erfolgreich bewerkstelligt werden kann, ist wenig wahrscheinlich. Entweder wird die US–Administration deshalb - allen jetzigen Vereinbarungen zum Trotz - alles versuchen, den Dollarkurs weiter sinken zu lassen, oder sie wird ihre Währungspolitik mit protektionistischen Maßnahmen verknüpfen. So oder so: Der politische Knatsch ist programmiert. Leidtragende sind die westeuropäischen und japanischen Kapitale und natürlich vor allem Länder der Dritten Welt, die auf steigende Exporterlöse angewiesen sind. Die USA wiederum sind in einer klassischen Zwickmühle gefangen: Wie sie sich auch verhalten mögen, sie können den negativen Folgen ihrer eigenen Handlungen nicht entkommen. Der gordische Knoten ist auch an diesem Wochenende nicht durchschlagen worden. Richten wir uns besser auf weitere Messerstechereien ein.
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