Syrischer Einmarsch in Beirut: Israel will vorerst abwarten

■ In Jerusalem hofft man, daß Syrien im „libanesischen Sumpf“ versinken werde / Langfristig wird der zunehmende Einfluß Syriens im Nachbarland Libanon jedoch als Bedrohung angesehen

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Mit gemischten Gefühlen wird in Jerusalem die Rückkehr der syrischen Truppen nach Westbeirut beobachtet. Der Einmarsch rückt den Israelis nochmals ins Bewußtsein, wie sinnlos ihr eigener Invasionskrieg im Jahre 1982 war. Das Ziel, die PLO zu vertreiben, verfehlte man damals. Ebensowenig konnte in Beirut eine Israel gewogene Regierung der christlichen Falange etabliert werden. Auch den Sturz des Assad–Regimes erreichte man nicht. Und nun ist auch noch dieselbe 85. Brigade Syriens nach Beirut zurückgekehrt, die damals hatte abziehen müssen. Dennoch sind die Reaktionen in Israel relativ zurückhaltend. Natürlich gibt es Hardliner wie den Strategen des Libanon–Feldzugs, Sharon, oder den Chef der pro–israelischen SLA–Miliz in der südlibanesischen „Sicherheitszone“, Lahad, die vor einer Infiltration syrischer Einheiten in den Süden warnen. Doch Regierungsvertreter schlagen andere Töne an. Generalstabschef Levy hält den syrischen Einmarsch in Westbei rut nicht für eine „unmittelbare Gefahr“, und Verteidigungsminister Rabin erklärte, man brauche sich nicht zu sorgen, solange die Syrer in Beirut keine Luftabwehrraketen aufstellen. Entwarnung gelte aber nur, solange sich die syrischen Solaten nicht der israelisch besetzten Sicherheitszone nähern und die israelischen Kampfflugzeuge bei ihren Angriffen auf Palästinenserlager im libanesischen Luftraum nicht gestört würden. In Jerusalem gibt man sich auch gelassen, weil man damit rechnet, daß Syrien jetzt im „libanesischen Sumpf“ versinken wird. In Regierungskreisen wird nicht ausgeschlossen, daß die meisten Milizen bald den Kampf gegen die Syrer aufnehmen. Außerdem werde die syrische Präsenz im Libanon den wirtschaftlichen Bankrott in Damaskus auf die Spitze treiben. Eine Entwicklung, die in Jerusalem nicht ungern gesehen wird. Zugleich kann man nun Syrien direkt für Unruhen im Libanon verantwortlich machen. Andere politische Beobachter gehen davon aus, daß die syrische Präsenz in Westbeirut und Umgebung bewaffnete Aktionen eher eindämmen wird, da diese von Israel als Provokation empfunden und als Vorwand für militärische Angriffe genutzt werden könnten. In der nächsten Zeit sei Israel allerdings zu sehr mit der Kontrolle der verschiedenen libanesischen Gruppen beschäftigt, als daß es zusätzliche Fronten eröffnen werde. Langfristig jedoch werde Irsrael eine Festigung des syrischen Einflusses im Nachbarland als eine Gefahr empfinden. Ähnlich wie in Israel wird auch in Washington bezweifelt, daß es den Syrern gelingen werde, in Westbeirut dauerhaft für friedliche Verhältnisse zu sorgen. Wie eine Sprecherin des Außenministeriums erklärte, sollten die Freunde des Libanon die Institutionen der Zentralregierung unterstützen. Die letzten zwölf Jahre hätten bewiesen, daß keine ausländische Macht die Probleme des Landes lösen könne. Der Bonner Regierungssprecher Ost nahm zu dem syrischen Einmarsch in Westbeirut zunächst keine Stellung. In diplomatischen Kreisen hieß es, grundsätzlich seien alle Maßnahmen zur Beendigung des Chaos im Libanon zu begrüßen.