Bothas liberale Basis bröckelt

■ Widerstand des reformwilligen Flügels der südafrikanischen Regierungspartei (Nationale Partei) untergräbt Bothas Wahlstrategie der Einheit der Buren / Aus Johannesburg Hans Brandt

Südafrikas Nationale Partei, die seit 1948 die Mehrheit der Weißen des Apartheidstaat hinter sich weiß, ist in der Zwickmühle. Bothas Kalkül, die erst für 1989 vorgeschriebenen Wahlen für die weiße Parlamentskammer auf den 6. Mai 1987 vorzuziehen, um dem wachsenden Einfluß der ultrarechten Buren frühzeitig zu begegnen, scheint nicht aufzugehen. Parteiaustritte am linken Rand der NP - bedingt durch Unzufriedenheit mit Bothas zu langsamen Reformplänen - untergraben seinen Aufruf zur Einheit der Bure.

Eigentlich hatte P.W. Botha sich seinen Wahlkampf ganz anders vorgestellt. Unter dem Motto „Saamstaan“ (Zusammenhalten) sollte das Volk der Buren wieder zusammengeschweißt werden, sollten die Brüche am rechten Flügel der Nationalen Partei (NP) repariert werden. Unter dem Banner dieser „einzigen wahren Volkspartei“ sollten sich die Buren in der Wagenburg gegen das „böse Ausland und die wütende schwarze Flut“ verschanzen. Statt dessen beginnt es plötzlich auch am linken Flügel der Partei bedrohlich zu bröckeln. Die liberaleren NP–Mitglieder, denen das Tempo der Reformen zu langsam ist und die mit der Führung von P.W. Botha unzufrieden sind, wollen sich nicht mehr der Parteidisziplin unterwerfen. Zuerst war es ein einsamer NP– Parlamentarier, Wynand Malan, der nach einer mehrstündigen Audienz beim Präsidenten mit Tränen in den Augen seinen Austritt aus der Partei bekanntgab. Wenig später kündigte Dennis Worral, Pretorias Star–Botschafter in London, seinen Rücktritt und seine unabhängige Kandidatur in den am 6. Mai stattfindenden Wahlen an. Ende letzter Woche kamen dann eine Reihe von Professoren der Universität Stellenbosch, der wichtigsten Kaderschmiede der NP, enttäuscht von ihrem als „Fiasko“ beschriebenen Gespräch mit dem Staatspräsidenten zurück. Auch sie traten umgehend aus der Partei aus. Und am Dienstag folgten mehrere Akademiker aus der erzkonservativen Universität in der Provinz Oranje–Freistaat dem Beispiel ihrer Kollegen in Stellenbosch. Worral ist der führende Kopf dieser NP–Dissidenten. „Wir müssen mehr tun als dem amerikanischen Kongreß zu sagen, er soll sich verkrümeln; wir müssen mehr tun als junge Wehrpflichtige in die Townships zu pumpen“, sagte er bei seiner Ankunft aus London in Südafrika. „Südafrikaner wollen nicht, daß in ihrem Land eine Gesellschaft im Belagerungszustand entsteht, ausgelaugt durch Konflikte, Verdächtigungen, Zynismus und Repressionen.“ Ganz besonders verärgert sind die als „New Nats“, „Neue Natio nalisten“, bekannten Dissidenten über die unzweideutige Absage Pretorias an den sogenannten „Indaba“–Plan (Siehe Kasten). Dieser auf Anregung des Zulu–Führers Mangosuthu Buthelezi in langwierigen Verhandlungen zwischen den verschiedensten Gruppen erarbeitete Entwurf einer vielrassischen, gemeinsamen Verwaltung für die weiße Provinz Natal und das Zulu–Homeland KwaZulu gilt für Worral und andere als vielversprechendes Beispiel einer Verhandlungslösung für Südafrikas Probleme. Für die NP andererseits garantiert dieser Entwurf die „Dominierung der Schwarzen über die Weißen“. Enttäuscht sind die Dissidenten auch über die Weigerung Pretorias, die gesetzliche Grundlage für nach Rassen getrennte Wohngebiete flexibler zu machen. Ein regierungseigenes Gremium hatte dies schon Ende letzten Jahres vorgeschlagen. Doch die Empfehlungen bleiben noch mindestens bis nach den Wahlen geheim. Denn ultrarechte Wähler haben vor der Öffnung der weißen Wohngebiete Angst Worrals Kritik an Botha und seinen derzeitigen Beratern wird von Professor Sampie Terreblanche aus Stellenbosch geteilt: „Die Regierung mit ihrer derzeitigen Führung hat weder den Willen noch den Weitblick, um angemessene Reformen durchzuführen“, wetterte Terreblanche. „Einen Plan für Reformen gibt es nicht.“ Sein Rücktritt war ein sehr schwerer Schlag für die NP: Der Professor ist stellvertretender Vorsitzender des südafrikanischen Rundfunks SABC, der machtvollen Propagandamaschine der Regierung. Heunis selbst wird sich in seinem bisher als für die NP absolut sicher geltenden, an Stellenbosch und Kapstadt grenzenden Wahlkreis nun gegen Worral verteidigen müssen. Für Worral wird das ein aufwendiger, teurer Wahl kampf. Doch er kann es sich leisten. Angebote finanzieller Unterstützung kommen vor allem von Geschäftsleuten, die ihre erheblichen Mittel bisher der NP zur Verfügung gestellt hatten. Worrals Angriff trifft die NP an ihrer politisch wichtigsten und offenbar empfindlichsten Stelle. Er war vor einigen Jahren Berater von Heunis und kennt sich im vieldeutigen Wortnebel der NP–Reformpläne gut aus. Bothas Wahlstrategie hat sich bisher auf zwei Aspekte konzentriert: eine bissige Verurteilung jeder „Einmischung aus dem Ausland“ in Südafrikas interne Probleme; und eine eiserne „Recht– und–Ordnung“–Kampagne, mit der die liberalen Kritiker der Regierung mundtot gemacht werden sollen. Ihnen wird vorgeworfen, mit dem verbotenen ANC gemeinsame Sache zu machen. Nur so ist Bothas fast hysterischer Angriff auf Chris Ball, den Chef der in Südafrika dominierenden „Barclays Bank“, zu verstehen. Der Staatspräsident beschuldigte den Bankier, eine Serie von Zeitungsanzeigen zum 75. Jahrestag des ANC im Januar finanziert zu haben - eine Anschuldigung, für die er offenbar keine Beweise hatte, und die jetzt von einer Untersuchungskommission geprüft wird. Die kleine liberale Progressiv– Föderale Oppositionspartei (PFP) jubelt indessen über die zahlreichen Spaltungen in der Regierungspartei. Die PFP unterstützt die unabhängigen Kandidaten zumindest passiv, indem sie in deren Wahlkreisen keine eigenen Kandidaten aufstellt. Ganz un problematisch sind die jüngsten Entwicklungen allerdings auch für die PFP nicht. Sie wird von den meisten Buren noch immer als Partei der englischsprachigen Geschäftsleute Südafrikas betrachtet. Liberale Buren zögern deshalb, der PFP ihre Stimme zu geben. Wenn die neue Strömung unter den weißen Wählern weiter zunehmen sollte, dann, so munkeln informierte Kreise, würde mit Sicherheit eine neue Partei entstehen, politisch angesiedelt zwischen PFP und NP. Die Veränderungen unter weißen Wählern haben auch dazu geführt, daß die außerparlamentarischen Oppositionsgruppen noch keine Strategie mit Hinblick auf die Wahlen entwickelt haben. Zwar ist es unwahrscheinlich, daß die NP ihre absolute Merhheit nach 39 Jahren verliert. Dennoch schlagen die Wellen der Euphorie hoch. Sie hoffen nun, gegen die NP gewinnen zu können. Deshalb wird erwogen, den traditionellen Boykott der rassistischen Wahlen aufzugeben. Schon interpretieren einige Beobachter das Schweigen der Vereinigten Demokratischen Front (UDF), des größten Oppositionsbündnisses, als versteckten Aufruf, ihre Stimme gegen die Regierungspartei abzugeben.