Nukem arbeitet illegal Steger droht Anklage

■ Hanauer Staatsanwaltschaft wurde bereits im Justizministerium vorstellig / Justizminister Günther (SPD) spielt wegen Landtagswahlen auf Zeit

Von K.P. Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Die Hanauer Staatsanwaltschaft beabsichtigt, gegen drei Beamte aus dem hessischen Wirtschaftsministerium, gegen die drei Geschäftsführer der Brennelementefabrik Nukem und offenbar auch gegen den hessischen Wirtschaftsminister Ulrich Steger Anklage wegen illegalem Betrieb einer atomaren Anlage zu erheben. Unter dem Aktenzeichen 6Js 3930/85 soll die Anklagebehörde dem hessischen Justizminister Herbert Günther (SPD) bereits die Anklageschrift vorgelegt haben. Doch der sozialdemokratische Minister, so die Informationen der Illustrierten stern, habe gegenüber der Staatsanwaltschaft „auf Zeit gespielt“. Angesichts der Landtagswahlen am 5. April habe Günther verfügt, daß der Hanauer Staatsanwalt Farwick Mitte März seinen Standpunkt noch einmal erläutern müsse. Gegenüber der taz bestätigte Farwick, daß entsprechende Ermittlungen vor dem Abschluß stehen. Farwick legte allerdings Wert auf die Feststellung, daß er „nicht förmlich“ gegen einen Minister der hessischen Landesregierung ermittele. Zur Nachfrage, was unter dem Begriff „nicht förmlich“ zu verstehen sei, wollte sich der Staatsanwalt nicht äußern. Farwick dementierte die Meldung des stern, wonach er bereits bei Justizminister Günther vorstellig geworden sei: „Das sind normale Kontakte mit dem Ministerium.“ Fest scheint dagegen zu stehen, daß die Staatsanwaltschaft in den nächsten Wochen Anklage gegen die Geschäftsführer der Nukem und gegen die Steger–Beamten Thurmann, Frank und Angelika Hecker erheben wird. Die genannten Beamten stehen bereits in Sachen Alkem unter Anklage. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wird die Brennelementefabrik Nukem ohne jede Genehmigung betrieben. Seit über zwölf Jahren weigert sich die Nukem, ihre Altanlagen auf den vorgeschriebenen Sicherheitsstandart zu bringen. Fortsetzung Seite 2 Angeblich aus Kostengründen. Selbst als Experten der Gesellschaft für Reaktorsicherheit 1982 bei NUKEM gravierende Sicherheitsmängel feststellten und das hessische Wirtschaftsministerium daraufhin Sicherheitsauflagen in Höhe von 30 Millionen DM verfügte, investierte die Brennelementefabrik nicht eine müde Mark in die Sicherheit. Über die Vorlage von „Phantasiekonzepten“ und über Anträge auf Teilerrichtungsgenehmigungen gelang es der NUKEM schließlich, das Wirtschaftsministerium zur „Nachsicht“ zu bewegen. Am 6.9.84 soll es dann laut Stern zu einem „merkwürdigen Deal“ zwischen der NUKEM und dem hessischen Wirtschaftsministerium gekommen sein: NUKEM verzichtete auf die Genehmigung seiner Altanlagen und sparte so 30 Millionen DM. Im Gegenzug gestand Minister Steger der Brennelementefabrik zu, ihre Altanlagen ohne Genehmigung solange weiter betreiben zu dürfen, bis die Neuanlage genehmigungsreif sei. Ein klarer Verstoß gegen das Atomgesetz, denn bis heute liegt in Wiesbaden kein genehmigungsreifer Antrag der NUKEM vor.