Wo sitzt das Geld?

■ Zur großen Steuerreform der Bundesregierung

Der jetzige Streit über Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit der Steuerreform geht an der Sache vorbei. Die Spitzenverdiener werden insgesamt um eine Milliarde DM entlastet, alle armen Schlucker zusammen um sieben Milliarden - logisch, es gibt mehr Arme als Reiche. Dafür wird der einzelne Großverdiener um ein Vielfaches im Vergleich zum einzelnen Leichtlohngruppierten entlastet - logisch, wer weniger Steuern zahlt, dem kann auch weniger erlassen werden. Die Frage ist doch vielmehr, wo das Geld sitzt, aus dem Steuern gemacht werden können. Der eigentliche Skandal liegt darin, daß man bei diesem groß angekündigten Wurf von Steuerreform wieder einmal überhaupt keinen Ansatzpunkt dafür gesucht hat, die Grundlagen für die Besteuerung - insbesondere bei Kapitalgesellschaften - dingfest zu machen. Solange es den Aktiengesellschaften möglich ist, nach Belieben Milliardenbeträge aus dem eingefahrenen Gewinn in „Rücklagen“ von absurder Höhe zu stecken, die nicht versteuert zu werden brauchen, bleibt jedwede Steuersystematik absurd. Diese am Finanzamt vorbeigemogelten Milliardenbeträge können von den Konzernen selbstverständlich zinsbringend angelegt werden. Die Zinsgewinne, die Siemens zum großen Teil aus Rücklagen auf Kosten seines Steueraufkommens erzielte, waren 1985 höher als diejenigen der Dresdner Bank. So kam der Konzern zu Angespartem, das die BRD–Arbeitslosenunterstützung für ein Jahr noch um fünf Mrd. DM übersteigt. Hier könnte der Finanzminister eine Menge seiner Finanznöte entsorgen. Er sollte sich ein Beispiel an der gewiß nicht unternehmerfeindlichen US–Regierung nehmen. Die hat sich kürzlich drangemacht, solche Steuerschlupflöcher zu stopfen. Ulli Kulke