KWU trotz Tschernobyl auf Expansionskurs

■ Die Kraftwerkunion legte ihre Bilanz vor / Nach Tschernobyl: Hoffnung auf erweiterte Atomgeschäfte mit der Sowjetunion

Mühlein/Berlin (ap/taz) - Die Kraftwerk Union AG (AKU) mit den Hauptstandorten Mühlheim/ Ruhr und Berlin setzt weiterhin voll auf Atomenergie. Wie der Vorstandsvorsitzende des bekanntesten Atomkonzerns der Bundesrepublik, Klaus Barthelt, am Dienstag auf der Bilanzpressekonferenz für das Geschäftsjahr 1986 in Mühlheim sagte, rechnet man auch nach Tschernobyl mit einem weiteren Ausbau der Atomenergie in In– und Ausland. In der Bundesrepublik wird nach den Erwartungen Barthels der Anteil der Atomenergie von jetzt 35 auf 40 Prozent steigen. Die Opposition gegen Atomenergie deutet er als Charakterschwäche: Denn daß zeitweilig der Eindruck entstanden sei, „Tschernobyl läge mitten in Deutschland, hängt vielleicht mit speziellen deutschen Charaktereigenschaften zusammen“. Im Jahr 1986 mußte die KWU drastische Umsatzeinbußen von 11,4 auf 2,7 Milliarden Mark hinnehmen, was aufgrund der zeitlichen Verteilung bei der Abrechnung von Großaufträgen ein schiefes Bild über das wirkliche Geschäftsaufkommen vermittelt. Für dieses Jahr erwartet man wieder eine Umsatzsteigerung von rund 6 Milliarden DM. Noch sind mehrere AKWs im In– und Ausland nicht fertiggestellt. Zum Streit um die KWU–Tochter ALKEM in Hanau meinte Barthelt, falls Hessen die Betriebsgenehmigung für die Plutonium–Anlage verweigere, werde der Bund wohl Weisung geben müssen. Trotz aller unveränderten Atomeuphorie der KWU–Manager hat sich der konventionelle Auftragsanteil auf inzwischen ein Drittel des Auftragseingangs erweitert. Einen neuen Markt wittert der Konzern in dem katastrophengeschädigten sowjetischen Atomprogramm: „Wir würden gerne mit der Sowjetunion“ bei der Nachrüstung sowjetischer Atomkraftwerke „ins Geschäft kommen“, meinte Barthelt. Die Bilanzpressekonferenz vom Dienstag war die letzte der KWU als eigenständige Firma. Ab 1. Oktober wird der Konzern mit anderen im Energiebereich tätigen Teilen zum siebten Untenehmensbereich des Mutterkonzerns Siemens zusammengefaßt. Die Neuordnung, so Barthelt, sei durchaus nicht so bedeutend wie vielfach vermutet: „Man kriegt ne neue Rückennummer und arbeitet weiter.“ marke