Stoltenbergs Lawinenwächter

■ Die steuerbegünstigte Auflösung von Rücklagen für mittelständische Betriebe ist einstweilen vom Tisch / Koalitionsstrategen sahen zu viel Staatseingriffe

Berlin (taz) - Bedauern bei CSU– und CDU–Mittelstandsvereinigung, Erleichterung bei den Steuerpolitikern der CDU: der brisante Vorschlag, mittelständischen Betrieben die Auflösung ihrer Investitions– Rücklagen steuerlich zu erleichtern, ist den Koalitionsvereinbarungen mit der FDP zum Opfer gefallen. Wirtschaftsgraf Lambsdorff und die Stoltenberg–Ministerialen, die immer noch nicht so recht wissen, wie sie die Beschlüsse zur Steuerreform finanzieren sollen, hatten eine Lawine auf sich zukommen sehen: Dem Fiskus wä ren bei der Durchsetzung der anvisierten Pläne erhebliche Summen entgangen. Vorgesehen war nämlich, die nicht entnommenen Gewinne zunächst einmal nicht zu versteuern, wenn sie in der Bilanz als Rücklage ausgewiesen wurden. Erst bei der Re–Investition entsprechender Beträge sollte an das Finanzamt gezahlt werden, aber auch dann versüßt mit einem um 50 Prozent gesenkten Steuersatz. Stoltenbergs Experten befürchteten, daß mit dieser Regelung eine Entwicklung eingeleitet wäre, die in vier bis fünf Jahren zu einem völligen Wegfall der Be steuerung der Rücklagenauflösung führen würde. Mittelständler könnten dann ebenso wie die Konzerne ihre Eigenkapitalbasis auf Kosten des Finanzamtes stärken, wenn sie in der Bilanz Betriebsgewinne als Rücklagen ausweisen. Auf den ersten Blick war der Vorschlag zugunsten der mittelständischen Klientel ganz harmlos. Er sollte nur einen „Wettbewerbsnachteil“ der kleineren Betriebe gegenüber Großunternehmen ausgleichen. Die hochflüssigen Konzerne können nämlich ihre Investitionen fortlaufend aus den Gewinnen finanzieren und brauchen dazu keine Rücklagen zu bilden, deren Anwachsen Jahr für Jahr mitzuversteuern wäre. Mittelständische Unternehmen, so die etwas komplizierte Rechnung der Lobby aus Bayern und Bonn, kaufen sich nur alle paar Jahre eine teure Maschine und müssen dafür Geld auf die hohe Kante legen. Das bringt immerhin Zinsen, bis es ausgegeben ist. Nur: das, was jedes Jahr in diese Rücklagen „eingestellt“ wird, muß zuvor versteuert werden, und auf die abgeführten Steuern gibts eben keine Zinsen mehr. Verluste für die mittelständischen Betriebe: zwei bis vier Milliarden Mark im Jahr. Hierfür sollten die Mittelständler durch besondere Steuerregelungen entschädigt werden. CDU und FDP lehnten den Plan nun ab. Angesichts der nach unten revidierten Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung war er für Lambsdorff gleichbedeutend mit einem Einstieg in die Investitionslenkung. Man könne Steuersenkungen nicht je nach konjunktureller Lage gewähren oder zurücknehmen. Für Stoltenberg handelt es sich um einen neuen Fall von Subvention, der zugunsten einer allgemeinen Senkung der Steuersätze eingespart werden sollte. Die Steuern auf Investitionsrücklagen bleiben ohnehin im Gespräch: eine Expertenkommission hat dem baden–württembergischen Ministerpräsidenten Späth ein Gutachten geschrieben, in dem als zentrales Ziel einer strukturellen Steuerreform „eine zusätzliche Entlastung“ der Investitionsmöglichkeiten mittelständischer Betriebe vorbereitet werden soll. diba