NUKEM will Lebensmittel bestrahlen

■ Die Hanauer Brennelementefabrik läßt Lebensmittelbestrahlungsanlage bauen / Ingenieurfirma warnt vor Unfallrisiko / Tumorbildung durch bestrahlte Lebensmittel / Keine Nuklear–Auflagen in Frankreich

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Die Hanauer Brennelementefabrik NUKEM, gegen deren Geschäftsführer die Staatsanwaltschaft demnächst Anklage wegen illegalem Betrieb einer atomaren Anlage erheben wird, hat ihre Produktpalette erweitert. Neben dem Brennelementebau für Forschungsreaktoren in aller Welt beabsichtigt die Hanauer Firma, eine von ihr entwickelte Gamma–Bestrahlungsanlage, die nun Marktreife erlangt haben soll, in Dagneux (Frankreich) in Betrieb gehen zu lassen. Mit der Anlage M4P, so die NUKEM–Produktbeschreibung, sei das Sterilisieren von medizinischen Aktikeln und das Konser vieren von Lebensmitteln möglich: „Dank ihrer Konstruktion und universellen Einsatzmöglichkeiten bietet die M4P größtmögliche Flexibilität und maximale Dosishomogenität.“ Für rund eine Million DM wird eine Offenbacher Ingenieurfirma der NUKEM die Anlage bauen. In einem Schreiben an NUKEM, das der taz vorliegt, macht die Ingenieurfirma allerdings darauf aufmerksam, daß dieses neue System Unfallrisiken und Gefahren berge, die noch nicht hätten ausgeräumt werden können. Umstritten sind auch die Materialien, die zum Einsatz kommen sollen. Die Ingenieurfirma teilte NUKEM mit, daß die französische Firma Telemecanique zwar keramisch ge kapselte Schalter für die Anlage liefern könne, die bereits in AKWs eingebaut worden seien, doch über die Lebensdauer dieses Materials könnten keine Angaben gemacht werden. Dennoch besteht NUKEM darauf, daß die Bestrahlungsanlage Ende 87 in Betrieb gehen müsse. Vorgesehen ist ein Dauerbetrieb von 8.000 Stunden pro Jahr. In Frankreich unterliegt eine solche Gamma–Anlage nämlich keinerlei Nuklear–Bestimmungen. Die Bestrahlung von Lebensmitteln ist ein einträgliches Geschäft; rund zwanzig bundesdeutsche Groß– Firmen haben vor, Lebensmittel demnächst radioaktiv bestrahlen zu lassen. Da der Paragraph 13 des Lebensmittelgesetzes eine solche Gamma–Bestrahlung in der BRD verbietet, will die NUKEM mit der Anlage in Dagneux eine „Ausweichmöglichkeit“ schaffen. Die Gamma–Strahlen aus den Radionukleiden Kobalt–60 und Cäsium–137 töten Salmonellen im Hähnchenfleisch ab, killen Bakterien und verhindern die Fäulnisbildung. Eine längere Lagerung der Lebensmittel wird so möglich. Die Kehrseite der Medaille: Tierversuche in den USA, in Kanada, Japan und der Sowjetunion haben ergeben, daß sich bei allen Versuchstieren, die mit bestrahltem Futter gefüttert wurden, Tumore bildeten. Die Tiere starben wesentlich früher als die Tiere von Vergleichsgruppen, die mit unbestrahltem Futter ernährt wurden.