Kopfgeld für die Volkszähler

■ Baden–württembergische Gemeinden setzten Zähler–Prämien für das Auffinden nichtgemeldeter Personen aus / Ministerium fürchtet „Akzeptanzschwund“, Datenschützerin sieht Mißbrauch

Stuttgart/Berlin (taz/ap) - Mindestens zwei baden–württembergische Gemeinden haben ihren Volkszählern eine Prämie für das Aufspüren von bisher polizeilich nicht gemeldeten Personen angeboten. In Weinsberg sollen die Zähler fünf, in Crailsheim zehn Mark erhalten, wenn sie anhand von Klingelschildern und Rückfragen bei Nachbarn herausfinden, daß in einer Wohnung Personen leben, die bisher nicht im örtlichen Melderegister aufgetaucht sind. In den Gemeinden beruft man sich bei dieser „Kopfgeld–Prämie“ auf eine Verwaltungsvorschrift des Stuttgarter Innenministeriums. Darin würden die Zäh ler aufgefordert, vor allem auch nicht im Melderegister aufgeführte Personen und Gewerbebetriebe anzugeben. Aus dieser Vorschrift entstünde den Zählern aber ein Mehraufwand, zu dem man die Zähler finanziell motivieren müsse, argumentiert man in Crailsheim. Überdies sei Crailsheim beileibe nicht die einzige Gemeinde, die ihren Zählern solche Prämien versprochen habe. Nicht nur für die Zähler, sondern auch für die Gemeinden dürfte sich diese Regelung bezahlt machen, denn je mehr Personen sie in ihren Gemeinden ausfindig machen, desto mehr Geld bekommen sie schließlich aus dem Steuersäckel. Nach dem Volkszäh lungsgesetz dürfen die Personen, die man durch die Volkszählung ausfindig macht, nicht an das örtliche Melderegister zurückgemeldet werden. Gemeinden und auf Prämien bedachte Zähler könnten jedoch unbegrenzt Personen hinzuerfinden, um ihre Finanzen aufzubessern. Die baden–württembergische Datenschutzbeauftragte Ruth Leuze befürchtet in diesem Zusammenhang denn auch, daß Zähler dadurch zu ungesetzlichen Maßnahmen verleitet würden. Außerdem habe der Stuttgarter Landtag schon 1983 den Gemeinden von einer solchen Prämie abgeraten. Nach Bekanntwerden des „Kopfgeldes“ hat jetzt auch das baden–württembergische Finanzministerum die Kommunen in einem Rundschreiben aufgefordert, darauf zu verzichten. Auch in Crailsheim überlegt man jetzt, ob man nicht nächste Woche im Gemeinderat das Ganze wieder rückgängig macht, um die Bevölkerung nicht zu verunsichern. Bußgeld schon verplant Das baden–württembergische Tuttlingen hat in seinem Haushaltsplan für das Jahr 1987 schon jetzt eine besondere Einnahmequelle einkalkuliert: rund 20.000 DM, so rechnet der Haushaltsplan unter der Rubrik Volkszählung „Strafen/Bußen“ vor, wird man an den Volkszählungsboykotteuren verdienen. Nach Angaben der zuständigen Zählstelle in Tuttlingen sei man dabei von einem Zwangsgeld von zunächst 200, später dann von 400 Mark ausgegangen. Die Zahl der Boykotteure habe man für diesen Haushaltsplan noch sehr niedrig mit unter einem Prozent veranschlagt. Selbstverständlich ausschließlich im Interesse der Sanierung der Stadtfinanzen sei der Stadt Tuttlingen ein möglichst hoher Anteil von Boykotteuren vergönnt. diwi/Ve.