: Kein Rot–Grün im Hamburger Grau
■ Hamburgs Bürgermeister Dohnanyi hat Schwierigkeiten, einen Koalitionspartner zu finden
Seit seiner Wahlniederlage im vergangenen Jahr sträubt sich Dohnanyi gegen eine Zusammenarbeit mit der GAL. Traditionell rechtslastig, liebäugelte er mit der CDU in Sachen Große Koalition. Für die GAL selbst wäre eine Zusammenarbeit nur dann akzeptabel gewesen, wenn der SPD–Senat ihren Forderungsk
Als sich gestern die Verhandlungskommissionen von SPD und GAL trafen, war die Atmosphäre bereits nachhaltig vergiftet. Drei Monate hatte es gedauert, bis sich Bürgermeister Dohnanyi und seine Partei bequemten, mit der aus der Bürgerschaftwahl siegreich hervorgegangenen GAL zu sprechen. Was in der Zwischenzeit geschah, war nicht dazu angetan, die im Wahlkampf gegenseitig geschlagenen Wunden zu kühlen, geschweige denn zu heilen. Durch die Wahlniederlage gebeutelt, aber ungebrochen arro– gant in Richtung GAL,ließ der Bürgermeister weiterhin fröhlich verlautbaren: „Keinen Millimeter mit der GAL“. Der MM– Mann, wie er dann zweideutig hieß, setzte jedoch noch einen drauf. Als seine Partei ihn per Landesparteitags– und mit etlichen Vorstandsbeschlüssen aus der Not heraus zwang, sich nun auch in Richtung GAL für Gespräche zu öffnen, diffamierte er diese öffentlich als „zweitrangig“ und „der Not gehorchend“. Der GAL– Tolerierungskatalog wurde auch nach der Wahl als „Unglück für Hamburg“ bezeichnet. Die SPD hörte es pikiert - und schwieg. Lediglich ein Senator äußerte einmal: „Die Millimeter– Erklärung war wenig hilfreich. In einem erneuten Wahlkampf, sollte er denn kommen, wird sie nicht wieder auftauchen.“ Die GALier schlugen nicht faul zurück. Neben „MM–Mann“ bezeichneten sie Dohnanyi auf Bürgerschaftssitzungen auch schon einmal als „Minus Mann“. In einer Fernsehdiskussion fuhr ihn Hamburgs populärste GALierin, Thea Bock, an: „Für wen sprechen Sie hier eigentlich? Treten Sie doch endlich zurück“. Auch mit dem Arbeitsprogramm von Senat und SPD - aus der Not der Niederlage geboren, um mit „beiden in der Bürgerschaft vertretenen Parteien auszuloten, was zum Wohle der Stadt getan werden kann“ - sprangen sie wenig zimperlich um. „Die alte wirtschaftsorientierte Standortlogik mit ein paar nichtssagenden grünen Farbklecksern“ war noch eine der freundlichsten Debattenbezeichnungen. Dennoch wollten beide Parteien auf ihrer jeweiligen Grundlage verhandeln. Die SPD zog mit ihrem Arbeitsprogramm in die Gespräche, die GAL mit ihrem Tolerierungskatalog. Was Wunder, daß beide Seiten den Ausgang von vornherein skeptisch beurteilten. Jenseits der Bürgermei sterschelte monierte auch die den Verhandlungen zugeneigte linke SPD: „Der GAL–Tolerierungskatalog ist eher ein Verhinderungskatalog, weil er das Trennende statt das Gemeinsame betont.“ Hinderlicher für die Gespräche war und ist jedoch eine in der Stadt geschürte Atmosphäre zugunsten einer Großen Koalition von SPD und CDU. Schon am Wahlabend des 9. November nahm Dohnanyi entsprechende CDU–Offerten begierig auf. In der ersten Pressekonferenz nach der Wahlniederlage präzisierte der adlige Minderheits–Bürgermeister seine Vorliebe: mit der CDU gebe es weitreichende Berührungspunkte, die jetzt in gemeinsames Handeln umgesetzt werden müßten. Zwar wurde der Große– Koalitionsherrenreiter dann von Landesparteitag und Landesvorstand dadurch gebremst, daß sie beschlossen, mit der CDU weder zu koalieren noch ein Tolerierungsabkommen zu schließen, doch das focht den gewieften Medienpolitiker Dohnanyi nur wenig an. Immer streng die Interpretationsschlupflöcher dieses Beschlusses im Auge, eröffnete er mit der CDU und der Springerpresse ein atmosphärisches Feuerwerk zugunsten der Großen Koalition. Jenseits der strittigen Punkte wie Länderfinanzausgleich und zweiter öffentlicher Arbeitsmarkt via ABM– Stellen wurde Optimismus für eine Große Koalition um beinah jeden Preis verbreitet. Höhepunkt dieser Kampagne der guten Gefühle, war das erste Spitzengespräch zwischen CDU und SPD vor einer Woche. Pathetisch beschwor Dohnanyi das Gemeinsame über die Fraktionsbänke hinweg. „Es ist interessant, anstatt über die Bänke der Bürgerschaft hinweg zu streiten, zu erfahren, in wievielen Punkten man eigentlich nicht streiten sollte.“ Am nächsten Tag erweckte die Springerpresse, aber auch die liberale Boulevardzeitung Hamburger Morgenpost den Eindruck, als stünde die Große Koalition kurz vor der Unterschrift. Und wenig später jubelte eine Morgenpostschlagzeile mit Infas: „48 Große Koalition“. In diesem Konzert durfte Alt–Bundeskanzler und Alt–Hamburger Helmut Schmidt natürlich nicht fehlen. In der letzten Ausgabe der Zeit empfahl er den Hamburgern die Große Koalition, oder, sollte die nicht durchsetzbar sein, gleich die Allparteienkoalition. Die künstlich geschaffene Großwetterlage für das Zusammengehen von Elb–Christen und -Sozis rutschte allerdings bereits am vergangenen Donnerstag anläßlich des zweiten Spitzengespräches zwischen CDU und SPD, in ein reales Tief ab. Trotz verzweifelten Bemühens von Klaus von Dohnanyi und dem CDU– Vorsitzenden Hartmut Perschau, immer wieder die „offene Gesprächsatmosphäre“ und den „festen Willen gemeinsam zum Wohle der Stadt zu handeln“ zu beschwören, mußten sie auf Journalistenfragen Farbe bekennen. Und danach sieht es so aus, daß sich in Fragen Länderfinanzausgleich, Energiepolitik im Rahmen des Ausstiegs aus der Atomenergie und öffentliches Finanzprogramm zur Entlastung des Arbeitsmarktes keineswegs eine Einigung erzielt wurde. Dabei stehen so prekäre Fragen wie die Schulpolitik, die Müllentsorgungspolitik und der Erhalt des NDR in vollem Umfang noch aus. Doch wenn die SPD darauf spekulierte, sich in der ersten SPD– GAL–Gesprächsrunde auf eine unflexible GAL beziehen zu können,sah sie sich gestern enttäuscht. Die flexible GAL–Verhandlungsführung ging bis an die Grenze der Selbstverleugnung. So harte Brocken wie Arbeitsprogramm und Standortpolitik erschienen - durch die Tolerierungsforderungen abgemildert - verhandelbar. Der düpierten SPD blieb nur noch das blocken. Tom Janssen
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