„Radio 100“ in Berlin auf Sendung

■ Seit gestern ist der Alternativfunk vier Stunden täglich zu hören / taz ist Gesellschafter / Werbeeinnahmen sollen Etat mitbestreiten / Einheitslohn für Redakteure / Gesendet wird ab 19 Uhr auf UKW 100,6 Megahertz

Berlin (dpa) - Es gehört schon eine gehörige Portion Mut dazu, als Privatfunker den Wettbewerb mit 14 regulären Berliner Ortssendern auf UKW aufzunehmen. In diese Radiovielfalt, in der schon RIAS und SFB durch umfassende Programmreformen um Hörer ringen, drängt sich ab 1. März „Radio 100“. Es ist freilich kein typischer Privatfunker, wie er bisher im Berliner Kabel zu hören war. Ein gut Teil der Gesellschafter von Radio 100 stammt aus der alternativen Szene - auch die taz ist dabei -, andere haben bereits im Berliner Kabel gesendet, schließlich wird das Unternehmen noch vom „Linksrheinischen Rundfunk“ unterstützt, der in Rheinland–Pfalz bereits drahtlos verbreitet wird. Noch geht es in den zwei geräumigen Etagen in der Potsdamer Straße 131/Ecke Bülowstraße provisorisch, zuweilen spartanisch zu. Die Technik steht auf bunt zusammengewürfeltem Mobilar, das Mikrofon auf einem Brett, das auf den Lehnen zweier Stühle Halt sucht. Im Stockwerk tiefer werden die Redaktionsräume von einer Vielzahl junger Leute bevölkert - kaum einer älter als 30 Jahre. Das Sendestudio wird professionellen Anforderungen durchaus gerecht. Immerhin wurden bisher 120.000 Mark in die Technik investiert. Ruhender Pol inmitten der Betriebsamkeit ist Geschäftsführer Thomas Thimme. Seine Verfügungsmasse beläuft sich auf knapp eine Million Mark, die durch stille Einlagen der Radio 100–Gesellschafter zusammenkommen. 62.000 Mark hat der Sender für die laufenden Kosten pro Monat eingeplant. Der Alternativfunk scheint die Werbewirtschaft nicht zu schrecken. Buchhandlungen und Reisebüros zeigten bereits Interesse, zwei Berliner Zeitungsverlage und ein Software–Anbieter der Computerbranche wurden sich mit Radio 100 bereits handelseinig. Thimme ist guter Dinge, in diesem Jahr Werbeeinnahmen von 200.000 Mark zu erzielen. Für l988 hofft er, den Jahresetat bereits zu 60 Prozent aus Werbeerlösen bestreiten zu können. Die Rechnung, bei der die monatlichen Betriebskosten auf 62.000 Mark angesetzt sind, geht jedoch nur auf, weil der Personalplan 14 Stellen zum Einheitslohn von 1.400 Mark vorsieht. Fred Grätz