DKP–Mitglied darf doch Beamter sein

■ Ratstätigkeit eines Lehrers im Stadtparlament gefährdet nicht freiheitlich–demokratische Grundordnung OVerwG beendet zehnjährigen Rechtsstreit / Urteil im Disziplinarhof des OLG Lüneburg steht noch aus

Von Christian Malzahn

Oldenburg (taz) - Der Oldenburger Lehrer und DKP–Politiker Hans–Joachim Müller hat nach einem seit zehn Jahren andauernden Rechtsstreit mit der Bezirksregierung Weser–Ems einen entscheidenden Sieg erringen können. Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg erklärte jetzt eine im Jahre 1976 ausgesprochene vorzeitige Entlassung aus dem Beamtenverhältnis für rechtswidrig.In der Urteilsbegründung betonte das Gericht, daß die Ausübung eines Ratsmandats für die DKP kein Dienstvergehen sein kann. Hans– Joachim Müller sitzt seit über zehn Jahren für die Kommunisten im Oldenburger Stadtparlament. Die Richter begründeten die richtungsweisende Entscheidung damit, daß Müllers Mitarbeit im Stadtparlament für sich allein nicht „den Charakter demonstrativer Betätigung gegen die freiheitlich–demokratische Grundordnung“ besitze, weil die „Ratstätigkeit durch die allgemeine Volkswahl legitimiert“ sei. Damit stellen die Lüneburger Richter Verfassungsrecht vor Beamtenrecht. Wenn Müller wieder unterrichten möchte, muß er in Zukunft allerdings auf hohe Ämter innerhalb der DKP verzichten. Seine Tätigkeit im Sekretariat der Oldenbur ger DKP und als Bezirksvorstandsmitglied der Partei soll der Kommunist aufgeben, weil dies mit der beamtlichen Treuepflicht nicht vereinbar sei. Darüber hinaus haben seine dienstlichen Vorgesetzten das Recht, Müllers Unterricht jederzeit unangemeldet besuchen zu können und ihn, falls sie seine Lehrerpflichten verletzt sehen, zu ermahnen. Trotz dieser stigmatisierenden Einschränkung sind Müller und sein Anwalt Klaus Seemann mit dem Urteil zufrieden. Seemann: „Der Verzicht auf die Ämter betrifft nur hohe Funktionen in der DKP, seine Ratsarbeit ist jetzt kein Thema mehr!“ Müllers Ehefrau Ines zur taz: „Wir wollen uns das jetzt mal in aller Ruhe überlegen, ob wir auf den Ämterverzicht eingehen.“ Zur Klärung dieser Frage hat das Oberverwaltungsgericht Hans– Joachim Müller vier Wochen Bedenkzeit gegeben. Allerdings: Ob Müller nach Verzicht auf Bezirksvorstand und Sekretariat wieder am Pult stehen darf, ist noch von einem anderen Verfahren abhängig. In einem getrennten Prozeß entscheidet der Disziplinarhof des Oberlandesgerichts Lüneburg demnächst über eine von der Bezirksregierung ausgesprochene vorläufige Dienstenthebung. Ob das Oberlandesgericht dabei die jüngste Begründung des Oberverwaltungsgerichts übernimmt, ist nicht vorherzusehen.