Sieben Milliarden für die Entwicklung der Philippinen

■ Die philippinische Planungsministerin Solita Monsod erläutert die Position des Landes bei den Umschuldungsverhandlungen und die Wirtschaftspolitik der Regierung Aquino / Nach der Abstimmung über die neue Verfassung und der Wiederaufnahme der Umschuldungsverhandlungen gab Solita Monsod der taz ein Interview

taz: Seit Anfang Februar wird in Paris wieder über die Umschuldung der philippinischen Auslandsverbindlichkeiten verhandelt. Was ist bisher dabei herausgekommen? Solita Monsod: Das Treffen der Konsultativgruppe verlief wie alle derartigen Veranstaltungen: langsam und zäh. Es passiert nicht viel. Alle Beteiligten wissen von vornherein, wie weit sie sich vorwagen dürfen. Wir haben zum xten Mal die ökonomische Situation der Philippinen diskutiert, und ich habe versucht, den Banken klarzumachen, daß unsere wirtschaftliche Erholung nicht nur von der Durchsetzung interner Strukturreformen sondern auch von zusätzlich gewährter Auslandshilfe abhängt. Verbal geben sich die Banken dann immer sehr kooperativ und schicken Telegramme, in denen sie beteuern, wie sehr sie mit uns sympathisieren. Doch wenn man ihre Taten betrachtet, tut sich ein großer Widerspruch auf. Die Umschuldungsverhandlungen im vergangenen Jahr sind an der Frage der Zinshöhe gescheitert. Die Philippinen haben verlangt, daß ihnen die gleichen (günstigen) Konditionen wie Mexiko eingeräumt werden. Bleibt die Regierung Aquino hart? Ja, wir finden sogar, daß die Philippinen kreditwürdiger sind als Mexiko, wenn man sich die Programme ansieht, die wir durchführen. Der Konflikt entzündete sich an der Frage, welche Zinsmarge über die sogenannte „Libor Rate“ hinaus zu zahlen ist. Dieser Aufschlag ist eine Risikoprämie, und wir sehen absolut nicht, warum eine Geldanlage auf den Philippinen riskanter sein sollte als in Mexiko. Wenn es aber gar nicht um das wirtschaftliche Risiko geht, sondern um die politische Bedeutung des Landes, können wir diskutieren, wie wichtig die Stabilität der Philippinen unter strategischen Gesichtspunkten im pazifischen Raum ist. Das Ergebnis ist das gleiche. Welches sind denn die wichtigsten Strukturreformen der Regierung? Zum ersten die Auflösung der Monopole. Es gab ja nicht nur das relativ bekannte Monopol für die Vermarktung von Zucker und Kokosnüssen, nein: Marcos hatte in allen denkbaren Bereichen Monopole errichtet: Düngemittel, Fleisch und sogar Ölsardinen. Zum zweiten haben wir den Wechselkurs freigegeben, und als Drittes ist die Importliberalisierung zu nennen. Dies entspricht doch im wesentlichen den Forderungen des Internationalen Währungsfonds. Warum stellen sich die Banken so stur? Die Banken haben Angst um ihre Profite und handeln aus einer sehr kurzfristigen Perspektive heraus. Sie bestehen darauf, ihr Geld zu bekommen, selbst wenn dies die betroffenen Länder ruiniert. Dazu sagen wir: Wenn das Pferd tot ist, kann es den Reiter nicht mehr nach Hause tragen. Wenn die Position der Banken sich nicht ändert, werden in den kommenden sechs Jahren 14 Milliarden Dollar mehr aus den Philippinen abfließen als neu hereinkommen. Wie soll die Wirtschaft eines Landes bei einem derartigen Kapitalabfluß noch wachsen? Wir haben ausgerechnet, daß wir für unsere Reformprogramme mindestens sieben Milliarden Dollar brauchen und schlagen deshalb vor, den Ressourcentransfer auf sieben Milliarden zu begrenzen, entweder durch neue Kredite oder durch eine entsprechende Begrenzung des Schuldendienstes. Sie haben gedroht, das Büro der Citibank, der größten internationalen Gläubigerbank, zu schließen, wenn die Banken sich nicht umstimmen lassen ... So kann man das nicht sagen. Wir haben nur alle Optionen studiert, die unserer Regierung offenstehen. Citibank arbeitet hier seit 50 Jahren, und die Argumentation war: wenn jemand in einem halben Jahrhundert kein Freund geworden ist, ist es unwahrscheinlich, daß er sich in Zukunft eines Besseren besinnt. Nach dem Machtwechsel vor einem Jahr war viel von der selektiven Zurückweisung bestimmter Kredite (Selective Debt Repudiation) die Rede. Wie weit sind Sie damit gekommen? Das betrifft die Mikroebene und nicht die Ökonomie als Ganzes. Wenn wir von „Selective Dept Repudiation“ reden, meinen wir ganz bestimmte Einzelkomponenten von Krediten, die durch unsaubere Geschäftspraktiken zustande kamen. Wir sind bislang nicht dazu gekommenm, alle Kredite daraufhin zu inspizieren, ob sie solche Komponenten enthal ten, weil dieser Punkt sehr geringe Priorität genoß. Außerdem verursachte die bloße Erwähnung dieser Politik in Bankenkreisen helle Panik, weil sie das Wort „selektiv“ überhörten. Dabei wollten wir niemanden vor den Kopf stoßen. Jeder Einzelfall wird genauestens untersucht und wenn etwas faul ist, werden wir mit dem Kreditgeber reden. Das ist alles. Gibt es ein Modell für die Entwicklung der Philippinen? Nicht direkt, aber was wir von den vielzitierten Beispielen Taiwan und Südkorea lernen können, ist, daß sie zuerst die landwirtschaftliche Produktivität erhöht haben, bevor sie mit der Industrialisierung anfingen. Marcos Regierung hat eine große Zahl von Projekten in der Schwerindustrie gefördert, die heute eine große Bürde für die Wirtschaft darstellen. Das wollen wir nicht mehr tun. Ein Arbeitsplatz in der Schwerindustrie kostet bis zu einer Million Dollar, einer in den mittelgroßen Betrieben der Leichtindustrie dagegen 40.000. Die rechte Opposition hat der Regierung Aquino vorgeworfen, daß sie das positive Votum für die neue Verfassung mit kurzfristigen, und durch Defizite im Staatshaushalt finanzierte Jobs quasi „erkauft“ hätte. Können die Arbeitsplätze, die die Aquino–Administration geschaffen hat, erhalten werden? Das Ziel, eine Million Arbeitsplätze bis Ende 87 zu schaffen, haben wir lange vor der Diskussion um die neue Verfassung formuliert und wir haben nie behauptet, daß es sich um dauerhafte Arbeitsplätze handelt. Das „Community Development Employment Programme“ wird definitiv Ende des Jahres nach 18–monatiger Dauer auslaufen, aber die verbesserte Infrastruktur wird bleiben: Landstraßen, einfache Bewässerungssysteme, Wasserversorgungseinrichtungen. Wir haben dieses Programm initiiert, um die Nachfrage wieder anzukurbeln. Danach hoffen wir auf den Multiplikatoreffekt. Befürchten Sie nicht, daß dieses zusätzliche Einkommen für importierte Konsumgüter ausgegeben wird? Nein. Wenn man fünf Mark am Tag verdient, gibt man jeden zusätzlichen Pfennig für Essen, Kleidung u.ä. aus, Dinge, die auf den Philippinen hergestellt werden und deren Nachfrage die heimische Wirtschaft ankurbelt. Sie sind an der Entwicklung der Programme zur Reintegration ehemaliger Guerillakämpfer maßgeblich beteiligt. Die Linke ist mit diesen Programmen nicht sehr glücklich ... Die Linken sind nie glücklich, das muß man erst mal festhalten. Außerdem dürfen diese Programme nicht zu attraktiv sein, sonst tauchen wieder diese Gestalten auf, die das Überlaufen von der einen zur anderen Seite als Geschäft betreiben. Haben Sie Probleme mit der Linken? Die philippinische Linke kritisiert Teilaspekte, aber sie hat kein konsistentes Programm. Sie reden zum Beispiel von Grundstoffindustrien, aber nicht woher wir das Geld zur Förderung dieser kapitalintensiven Betriebe nehmen sollen. Gleichzeitig heißt es dann: Keine Abhängigkeiten von internationalen Märkten... Die linke Bauernorganisation KMP hat ja nun sehr konkrete Vorschläge in ihrem Minimalprogramm gemacht. Sie fordert die Übergabe von Staatsland, das von den Banken beschlagnahmt wurde und Land, das MarcosGünstlingen gehörte. Gibt es da signifikante Unterschiede zur Regierungspolitik? Nein, überhaupt nicht. Aber bevor wir ein Programm verkünden muß es durchdacht sein. Einer der Hauptfehler der Marcosschen Agrarreform war der Mangel an Kredit und Beratung. Beides kostet Geld, das wir erst beschaffen müssen. Wir arbeiten nicht erst seit gestern an einem Landesreformprogramm, wie die KMP– Propaganda glauben macht - sondern seit acht Monaten. Die Frage der Entschädigung für enteignetes Land hat viel Empörung ausgelöst. Die Linke argumentiert, das Land gehöre eigentlich ohnehin den Bauern, weil sie es solange zu ungünstigen Pachtverhältnissen bebaut haben ... Wir verlangen ja nicht von den Bauern, daß sie den Marktpreis bezahlen, sondern soviel, wie sie können. Aber Entschädigung muß sein und im übrigen steht das auch in der neuen Verfassung, die mit über 75 Minderheiten in diesem Land: 75 ? Interview: Nina Boschmann