I N T E R V I E W Beratungsgesetz zum § 218 forciert Spitzelsystem

■ Dr. Susanne von Paczensky, Vorsitzende des Familienplanungszentrums Hamburg, zur geplanten Verschärfung des § 218

taz: Ein Beratungsgesetz soll den § 218 ergänzen. Es heißt, Beratungsstellen, die „zu schnell für Schwangerschaftsabbruch eintreten, soll die staatliche Anerkennung entzogen werden.“ Wie läßt sich das nachweisen oder ist es viel Lärm um nichts? Paczensky: Das würde ein Bespitzelungssystem in Gang setzen und ein Denuntiationsverfahren. Beratungen sind vertrauliche Vorgänge. Wie können die von der Behörde überprüft werden? Das ist eigentlich das Empörende daran. Nicht ob es geht, sondern welche Vorstellungen dahinterstehen. Solche Methoden setzen ein totalitäres Gesellschaftsbild voraus. Um ihren Beruf ausüben zu können, müssen die Berater und Ärzte sich den weltanschaulichen Vorstellungen des Staates oder bestimmter Gruppen beugen. Ein anderer Punkt in dem Gesetzesvorschlag sind die Kurse „zum Schutze des Lebens“ für Ärzte und Institutionen. Kann damit die Einstellung der Ärzte und Institutionen zur Abtreibung verändert werden? Was mich dabei besonders aufregt und was ich weit über den Rahmen der 218–Frage heraushöre, ist der Eingriff des Staates in die Berufsausübung. Berater und Ärzte sollen in den Kursen indoktriniert werden. Es werden weniger Ärzte Abtreibungen machen. Das wird sich für die Frauen, von denen ja in der ganzen Gesetzesabsicht überhaupt gar nicht die Rede ist, als Erschwerung auswirken . Was passiert, wenn Ärzte gezwungen werden, Abtreibungen ans Statistische Bundesamt zu melden? Was ist der Sinn dieses Zwangs? Sie sind jetzt schon dazu verpflichtet. Sie machen es wohl nicht ausreichend. Es gibt eine große Diskrepanz zwischen den Beratungen, den Abbrüchen, die über die Kasse abgerechnet sind, und denen, die in der Statistik auftauchen. Warum überhaupt die Statistik? Das ist der Fetisch. Mit den hohen Zahlen soll argumentiert werden. Obwohl die Zahlen heute geringer sind als alle Zahlen vor der Reform. Es wird immer wieder mit den 200.000 Abbrüchen, die ja niemand nachweisen kann, Tohuwabohu gemacht. Sie wissen selber aber gar nicht genau, ob es stimmt, und das möchten sie gerne rausfinden. Wie schätzt Du die Folgen für ein solches Gesetz ein? Ich finde die Folgen ganz erschreckend. Sie haben den allerwichtigsten und allerschlimmsten Punkt gar nicht genannt, nämlich die Verlängerung der Drei–Tage–Frist auf fünf. Es handelt sich in jedem Fall um Verzögerungen, Erschwerungen verschiedener Art. Ob die nachher alle praktikabel sind, weiß ich nicht. Das bedeutet eine Verzögerung der Schwangerschaftsabbrüche um mindestens eine Woche. Es ist vielfach bewiesen, daß je später der Abbruch gemacht wird, desto größer die Gefahren von Komplikationen und auch von psychischen Folgen sind. Das finde ich schlimm für eine Gesundheitsministerin, daß sie sowas möglich macht. Was ich auch ganz schlimm finde, ist der Verstoß gegen demokratische Grundsätze: die Indoktrination der Ärzte und die Tatsache, daß Beratungsgeheimnis oder der Beratungsvorgang zum Gegenstand von Nachprüfungen gemacht wird. Das Gespräch führte Maria Neef–Uthoff