Britische Gesetze schonen Naziverbrecher

■ Innenminister Hurd fordert von Simon–Wiesenthal–Zentrum mehr Beweise, um Kriegsverbrecher auszuliefern

Aus London Rolf Paasch

Die britische Regierung ist bereit, eine Änderung der Auslieferungsgesetze anzustrengen, wenn weitere Beweise für die Kriegsverbrechen in Großbritannien lebender Nazis vorgelegt werden können. Mit dieser Äußerung mußten sich die aus Los Angeles angereisten Vertreter des Wiesenthal–Zentrums am Montag zufriedengeben. Die Vertreter, die schon die braune Vergangenheit Kurt Waldheims aufgedeckt hatten, waren nach London gekommen, um den britischen Innenminister Douglas Hurd zu einem energischeren Vorgehen gegen in Großbritannien lebende Nazis zu drängen. Bereits im Oktober vergangenen Jahres hatte das Wiesenthal– Zentrum den Briten eine Liste mit den Namen von 17 Letten, Litauern und Weißrussen geschickt, die alle an Juden–Massakern in der heutigen Sowjetunion beteiligt gewesen sein sollen. Sechs von ihnen, so hat das britische Innenministerium bisher herausgefunden, sind in den 40er Jahren nach Großbritannien eingewandert und haben in den 50er und 60er Jahren die britische Staatsbürgerschaft erhalten. Laut Hurd sei für die Heranziehung von Polizei und Strafverfolgungsbehörden die Beweislage allerdings noch zu „dürftig“. Nach britischem Recht gebe es keine Möglichkeit, die angeblichen Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen. Weder könne im Ausland begangener (Völker–)Mord in Großbritannien verhandelt werden, noch könnten die Beschuldigten für außerhalb Israels begangene Straftaten dorthin ausgeliefert werden. In Diskussionen mit Rabbi Hier deutete Hurd allerdings zwei mögliche Auswege an. Wenn genügend Beweise vorlägen, könne den Beschuldigten die britische Staatsbürgerschaft entzogen werden, woraufhin die Bundesrepublik einen Auslieferungsantrag stellen könne. Oder man könne versuchen, das Parlament zu einer Abänderung des Auslieferungsabkommens mit Israel zu überreden.