Startschuß zum Bau der WAA

■ Trotz der umstrittenen Rechtslage begannen die Bauarbeiten für das Brennelement–Eingangslager / Rechtsanwalt hält Teilgenehmigung für rechtswidrig / Nach neuen Gutachten werden Grenzwerte um das Vierfache überschritten / Hartes Urteil im WAA–Prozeß

Aus Schwandorf Bernd Siegler

Seit gestern wird im Taxöldener Forst das Brennelemente–Eingangslager für die Wiederaufbereitungsanlage gebaut. Die ersten Meßtrupps arbeiten auf dem Gelände. Sobald eine Wetterverbesserung eintritt, will die DWK Maschinen und 80 Bauarbeiter einsetzen. Ermöglicht hat dies die Bezirksregierung der Oberpfalz. Einen Tag zuvor hatte sie den Sofortvollzug der baurechtlichen Genehmigung angeordnet. Während die Regierung noch davon sprach, daß damit keine vollendeten Tatsachen geschaffen würden, kündigt der Würzburger Rechtsanwalt Wolfgang Baumann als Vertreter der Kläger gegen die WAA an, daß er beim „ersten Spatenstich“ einen Dringlichkeitsantrag beim Verwaltungsgerichtshof auf Einstellung der Bauarbeiten stellen wird. Angesichts der ungeklärten Rechtslage zeigte sich Baumann vom Baubeginn überrascht und wertet das Vorgehen der DWK als einen „Sprung nach vorne“. Mit einem Schreiben vom 16.2. hatte der bayerische Verwaltungsgerichtshof angekündigt, daß es für den Außenzaun, die Wache 1, das Brennelemente–Eingangslager und die Baugrube für das Hauptprozeßgebäude keiner Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf, sondern lediglich nach dem Baurecht. Da der VGH damit auch das „vorläufige positive Gesamturteil für die Anlage“ aus der ersten atomrechtlichen Teilerrichtungsgenehmigung (TEG) in Frage stellt, zieht Baumann den Schluß, daß damit die TEG insgesamt rechtswidrig sei. „Das wäre jetzt die Gelegenheit nicht nur eine Denkpause einzulegen“, erklärte Baumann, der einen Baustopp für die WAA immer noch erwartet. In der am 30.März anstehenden neuen Verhandlungsrunde vor dem VGH in München hofft Baumann auf einen Erfolg. „Wenn es einen Baustopp geben sollte, so ist das kein Sieg des Rechtsstaats, sondern des Widerstandes“, erklärte Jochen Dieckmann, Pressesprecher der Schwandorfer BI. Der VGH–Vorentscheid sei für den Staat lediglich die Möglichkeit, „sich von der WAA zurückzuziehen, ohne tas Gesicht zu verlieren.“ Dem VGH– Brief konnte der grüne MdB Michael Weiß nicht nur Positives abgewinnen. „Diese Ablehnung der 1.TEG aus formalen Gründen ist ein Beweis dafür, daß das Gericht einen Ausweg sucht, um nicht in die Sachprüfung einsteigen zu müssen“. Fortsetzung auf Seite 2 Neueste Ergebnisse der Sachprüfung hätten ergeben, daß z.B. bezüglich der Jodbelastung alle in die Berechnungen der DWK eingegangenen Faktoren falsch seien. Das Gutachten von Dr. Karsten Hinrichsen von der Universität Hamburg zur „Strahlenexposition in der Umgebung der geplanten WAA“ vom Januar 1987 bestätigt eigene Berechnungen von Weiß. Danach werden die zulässigen Grenzwerte um das Vierfache überschritten. Bernhard Fischer vom Ökoinstitut Darmstadt wies auf katastrophale Mängel im Kühlsystem der WAA und Dr. Armin Weiß auf fehlende Löschwasserrückhaltebecken hin. Baumann rügte am bisherigen Vorgehen in Zusammenhang mit der WAA die „extreme Salamitaktik“, die die Genehmigungsbehörden vornehmen und die nun der VGH bestätigt hat. Für Erdaushub, Fundament oder Zaun würden baurechtliche Genehmigungen als ausreichend angesehen, später würde dann lediglich die atomrechtliche Genehmigung angehängt. „Damit wird der Rechtsschutz für die Betroffenen aufgehoben und neue Sachzwänge geschaffen“, betonte Michael Weiß. Interessant wird diese Tatache dadurch, daß das niedersächsische Gericht für das baugleiche Brennelementelager in Gorleben einen Einlagerungsstopp verfügt hatte. Dort will man erst auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht warten, ob für ein derartiges Lager eine baurechtliche Genehmigung ausreicht. Die Befürchtungen der Bürgerinitiativen, daß Wackersdorf sehr wohl als Zwischen– bzw. als End lager fungiert, erhielten durch einen Schriftsatz der Landesanwaltschaft vom 11.2.87 neue Nahrung. Dort wird das Brennelemente–Eingangslager durchaus als Zwischenlager für sogenannte „Fehlchargen“ angesehen. Diese Brennelemente, die für die Wackersdorfer WAA „nicht spezifikationsgerecht sind“, sollen dort solange lagern, bis Möglichkeiten für eine „modifizierte Verarbeitung“ gefunden werden. Da mit einem Bau einer weiteren WAA nicht zu rechnen ist, bedeutet dies faktisch eine Endlagerung. Hartes WAA–Urteil Im Prozeß gegen den 20jährigen Lorenz M. aus Regensburg verkündete Richterin Schmidt nach sieben Verhandlungstagen am Amtsgericht Schwandorf gestern das Urteil. Sie befand den Angeklagten schuldig des besonders schweren Landfriedens bruchs in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung. Eine Freiheitsstrafe von 17 Monaten ohne Bewährung sei notwendig, um die Vergehen „zu sühnen“, meinte die Richterin. Der 20jährige soll am 6.4.86 aus einer Menschenmenge heraus mehrmals gezielt mit Erdklumpen und Steinen auf Polizisten geworfen haben, die damit beschäftigt waren, ein Loch im Bauzaun zu decken. Die Härte des Urteils rechtfertigte die Richterin damit, daß eine Strafe zur Bewährung eine „ungerechtfertigte Nachgiebigkeit gegenüber gewalttätigen Demonstranten bedeute. Rechtsanwalt und Angeklagter werden Berufung gegen dieses Urteil, eines der härtesten der bisherigen WAA–Prozesse, einlegen.